PNN 24.3.2014

Mit Fahrstuhl und "Kümmerer"

von Kirsten Graulich

Am Kleinmachnower Rathausmarkt entstehen 52 altersgerechte Wohnungen. Die ersten sind im Juli fertig

Kleinmachnow - Die grauen Schieferfliesen im Hausflur findet der Sohn schick und streift kurz mit der Schuhsohle drüber, um seiner Mutter dann zuzurufen: „Sind auch rutschfest!“ Doch die eilt bereits voraus in die Wohnung und bleibt dort mit prüfendem Blick in der Zimmermitte stehen. Das Bett will sie nicht frontal in den Raum stellen, wie der Sohn empfiehlt, sondern lieber an die Wand. Ihre Gesten sind eindeutig: Wie sie und ihr Mann hier leben wollen, möchten sie noch selbst bestimmen.

Unabhängigkeit und Sicherheit zugleich will das neue Senior-Wohnprojekt in der Heinrich-Heine-Straße seinen künftigen Bewohnern bieten. Für die drei Blöcke mit insgesamt 52 Wohnungen, die die Gemeindliche Wohnungsgesellschaft Kleinmachnow (Gewog) zentral zwischen Bosch-Siedlung und Rathausmarkt altersgerecht baut, ist auch ein Hausservice vorgesehen. Statt Concierge sagt Gewog-Geschäftsführer Carsten Fischer lieber „Kümmerer“, weil das mehr die Aufgabe dieses Dienstes beschreibe. „Jemand, der auch mal hilft, ein Formular auszufüllen oder einen Bewohner beim Behördengang begleitet.“ Auch Blumengießen im Falle eines Krankenhausaufenthaltes gehöre zum Service.

Dafür zahlen die Mieter zuzüglich zur Kaltmiete von 8,50 Euro pro Quadratmeter noch 1,25 Euro pro Quadratmeter für den Kümmerer. Das stieß auch auf Kritik, doch der Geschäftsführer verweist auf den Seniorenbeirat, der sich für den Dienst starkgemacht habe. Zudem gebe es Einsparpotenzial bei den Nebenkosten, meint Fischer, da die Häuser mit Erdwärme versorgt würden.

Die Baukosten für alle drei mit Fahrstühlen ausgestatteten Dreigeschosser betragen rund 7,1 Millionen Euro, die Gemeinde fördert das Projekt mit 400 000 Euro. Daran gebunden sind Vergabekriterien, nach denen die Bewerber oder zumindest ihre Kinder in Kleinmachnow leben müssen. 40 der barrierefreien Wohnungen sind bereits vermietet, für die anderen gebe es Interessenten, sagt Fischer.

Auch am Samstag kamen künftige Bewohner und neue Interessenten zur Besichtigung auf die Baustelle, viele von ihnen mit ihren Kindern. Die ersten der Eineinhalb bis 3-Raumwohnungen werden im Juli bezugsfertig sein. Dann wird auf die neue Adresse auch ein Straßenschild hinweisen: Heinrich-Heine-Straße. Die gab es bislang nicht im Ort.

Der Blick durch die Panoramafenster in die Hausgärten der Boschsiedlung ist idyllisch. Da blühen die ersten Sträucher, Narzissen setzen gelbe Lichtpunkte und manchmal streift eine Katze durchs Gebüsch. Auf der anderen Hausseite braucht es noch etwas Fantasie, um sich die künftige Außenanlage vorzustellen. Auf dem benachbarten Sportplatz wird gerade – unüberhörbar – ein Turnier ausgetragen. Fischer beruhigt: „Wenn die Fenster zu sind, hört man nichts mehr von draußen.“

Die Interessenten begutachten derweil Parkett und Fliesen in mehreren Varianten, aus denen sie wählen können. Auch die Wohnungen haben verschiedene Zuschnitte. Es gibt Bäder mit Fenstern, ebenso Küchen, in denen man beim Kochen nach draußen schauen kann und auch Küchen, die in den Wohnraum integriert sind. Nur beim Altersdurchschnitt der Bewohner ist eine Wahlmöglichkeit nicht vorgesehen. Mindestens 60 Jahre alt müssen die Bewerber sein.

Karsten Fischer wäre eine Durchmischung lieber gewesen, aber die Gemeinde sehe einen großen Bedarf für Seniorenwohnungen. Dabei hätten jüngste Forschungen längst ergeben, dass die 80-Jährigen von heute so fit sind wie die 60-Jährigen ihrer Elterngeneration, erfuhr Fischer jüngst auf einer Tagung in Bad Saarow. Auch eine Analyse von Befragungen, die das Deutsche Zentrum für Altersfragen veröffentlichte, habe ergeben, dass sich die Bedürfnisse von alten und jungen Menschen beim Wohnen gleichen.

Für die Gewog ist es derzeit nicht das einzige barrierefreie Bauprojekt: In Bergholz-Rehbrücke wurde vor wenigen Tagen mit dem Bau zweier barrierefreier Mehrgeschosser mit knapp 60 Wohnungen begonnen. Altersbeschränkungen sind dort nicht geplant. Ebenso viele Wohnungen könnten an einem Bauplatz entstehen, den die Gewog ebenfalls in Bergholz-Rehbrücke schon anvisiert hat. Die Gemeinde Nuthetal ist neben Kleinmachnow der zweite Gesellschafter des Unternehmens.