PNN 7.12.13

 

Weg von der Rolle

von Tobias Reichelt

Kleinmachnows Kammerspiele werden digital – für viele alte Kinos ist es die einzige Überlebenschance

Kleinmachnow - So einfach war Kino in Kleinmachnow noch nie. Das Licht wird gedimmt, die Leinwand schwebt zur Seite und der Projektor beginnt zu leuchten. „Und für alles genügt ein Knopfdruck“, sagt Valeska Hanel. Strahlend sitzt die Sprecherin der Neuen Kammerspiele auf einem Drehstuhl im schmalen Vorführraum des alten, denkmalgeschützten Kinos. „In der Pause geht sogar die Musik von alleine an“, schwärmt Hanel und klopft mit der Hand liebevoll auf den grauen Projektorkasten neben sich – dem neuen Schätzchen der Kammerspiele.

Jetzt wird es digital. Die Kleinmachnower Kammerspiele haben umgerüstet. Seit wenigen Tagen steht ein neuer Bildprojektor in dem alten Kino- und Theaterhaus in der Karl-Marx-Straße. Am 23. Dezember soll der graue Hightech-Klotz erstmals gestochen scharfe Bilder auf die Leinwand werfen. Dann läuft um 16 und um 18 Uhr die Filmkomödie „Fack ju Göhte“. Ab Januar soll dann auch ein neuer digitaler Audioprozessor im Zusammenspiel mit neuen Lautsprechern für den perfekten Klang im alten Saal sorgen. Seit die Kulturgenossenschaft Neue Kammerspiele den Betrieb des Hauses im November vergangenen Jahres übernommen hatte, hat man auf diesen Tag gewartet, sagt Valeska Hanel. Denn zuletzt sei es für das kleine Kino immer schwieriger geworden, überhaupt analoge Filmrollen aktueller Produktionen von den Verleihern zu erhalten. „Es war geradezu unmöglich“, sagt Hanel. 50 000 Euro hat der neue Bildprojektor gekostet. Die neue Tonanlage wird mit weiteren 20 000 Euro zu Buche schlagen. Eine Investition, die notwendig ist, sagt Christian Berg. Der Kinobeauftragte der Berlin-Brandenburgischen Filmfördergesellschaft Medienboard beobachtet mit Wohlwollen den Wandel in den Kleinmachnower Kammerspielen. „Solch kleine Kinos können nur mit der Digitalisierung überleben“, sagt Berg. Ein Großteil der Verleiher wird die Ausgabe von analogen Filmrollen mit Ende des Jahres ohnehin einstellen. „Den Kinos bleibt also gar nichts anderes übrig.“

In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat das Medienboard deshalb die Umrüstung von insgesamt 144 Kinosälen in Berlin und Brandenburg gefördert – immer waren es kleine Kulturstätten. Der finanzielle Anteil der Förderung ist nicht zu unterschätzen: In Kleinmachnow bezahlte das Medienboard 30 Prozent der neuen Anlage. Weitere 25 Prozent förderte der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und weitere zehn Prozent kamen von der Filmförderungsanstalt FFA. Ein zweiter Förderantrag läuft bereits, denn auch der kleine Saal in den Kammerspielen soll eine digitale Kinotechnik erhalten, sagte Berg.

Auch die Aufrüstung des zweiten Saals sei für das Kleinmachnower Kulturhaus zwingend notwendig. Denn in den Kammerspielen sollen eben nicht nur Kinofilme gezeigt werden, sondern parallel auch Lesungen oder Konzerte stattfinden. Wollen die Betreiber ihr Publikum mit einem aktuellen Kinofilm in ihr Haus locken, knüpfen die Verleiher daran fast immer strenge Bedingungen. Über zwei bis drei Wochen muss der Film dann täglich im Haus laufen. Hat man nur einen Kinosaal, ist dieser dann dauerhaft blockiert.

Valeska Hanel spricht deshalb von Knebelverträgen die den Kammerspielen das Leben schwermachen. Schon lange wurde in der Karl-Marx-Straße kein Kinofilm mehr in seiner Startwoche gezeigt. Ab 12. Dezember wird der zweite Teil der Herr-der-Ringe-Adaption „Der Hobbit“ in Kleinmachnow zu sehen sein. Eine Ausnahme, sagt Hanel. Trotzdem wollen die Kulturgenossen ein anspruchsolles und abwechslungsreiches Kinoprogramm zeigen.

Das ist der Grund, warum man sich vom alten analogen Filmprojektor nicht verabschieden will. „Es wird in den Kammerspielen immer auch Rollenfilme zu sehen geben“, sagt Valeska Hanel. Im schmalen Vorführraum sei zum Glück genügend Platz für beide Projektoren, analog und digital. So laufen zwischen Weihnachten und Neujahr zum Beispiel auch „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, der Film „Lunchbox“ oder an Silvester die „Rocky Horror Picture Show“. Auch an den alten Klassikern, den „Lieblingsfilmen mit Schwipps“, die das Kleinmachnower Publikum so begeistern, wolle man festhalten, sagt Hanel.

 

HINTERGRUND Alles neu macht das Jahr 2014

Zum Start der digitalen Kinotechnik laden die neuen Kammerspiele am 11.Januar zu einem Wunschfilm ein. Unter www.neuekammerspiele.de können Interessierte über drei Filme abstimmen. Damit die Zuschauer im Saal nicht mehr frieren, wird in den kommenden Tagen die alte Heizung ersetzt, kündigte Sprecherin Valeska Hanel an. Auch die schwächelnde Elektrotechnik wird sukzessive erneuert. „Es geht jetzt richtig los“, so Hanel. Von Januar bis April wird zudem der Gastraum im Haus umgebaut. Der Betreiber der ehemaligen Kleinmachnower Kneipe „Schröders“ will dort einziehen. Dafür wird in den Kammerspielen eine Bar eingerichtet und eine kleine Küche installiert. Im kommenden Jahr soll zudem ein Polsterer alle Kinosessel neu beziehen. Bezahlt werden die Umbauarbeiten zum großen Teil von den 400 000 Euro, welche die Gemeinde der Genossenschaft zur Verfügung gestellt hat. Bislang blieben die Genossen sparsam: Erst knapp 140 000 Euro seien ausgegeben. tor