PNN 18.7.13

Dem Nachbarn in den Keller geschaut: Akteure der Energiewende

von Hagen Ludwig

Neues Buch stellt 64 Projekte in Mittelmark und eine Bilanz der Kommunen vor

Potsdam-Mittelmark - Das formulierte Ziel ist ehrgeizig: Bereits im kommenden Jahr könnte in Potsdam-Mittelmark nahezu der gesamte Eigenbedarf an Energie produziert werden, sagt die Beelitzerin Elke Seidel. Gemeinsam mit Peter Bartels, der in Michendorf einen kleinen Verlag führt, hat die Kreistagsabgeordnete der Grünen jetzt ein Buch herausgegeben, in dem 64 konkrete Projekte von Privatleuten, Kommunen und Firmen vorgestellt werden, mit denen die Energiewende im Landkreis befördert wird. Der Titel lautet „Volle Energie voraus“.

Elke Seidel geht mit gutem Beispiel voran. Vor neun Jahren hat sie die erste brandenburgische Bürgersolaranlage initiiert. Und ihr Eigenheim im kleinen Beelitzer Ortsteil Birkhorst ist ein sogenanntes EnergiePlusHaus, für das die Wärmeenergie von der Sonne kommt und zu 95 Prozent zurückgewonnen wird. Energiewende, da ist sie sich sicher, funktioniert nur von unten. „In Gesprächen hören wir aber immer wieder: Das ist zu teuer, das kenne ich nicht“, sagte Seidel am Mittwoch zur Vorstellung des Buches im Potsdamer Haus der Natur. „Wir wollten aufzeigen: So geht es.“

Gleichermaßen gibt es viele Beispiele von privaten Hausbesitzern. „Das Buch soll eine Anregung für die Leser sein, auch einmal beim Nachbarn nachzuschauen, welche Heizungsanlage er zum Beispiel im Keller hat“, sagte Seidel. Anfangs habe man daran gedacht, eine 40-seitige Broschüre zu erstellen. „Dann haben sich so viele Akteure bei uns gemeldet, dass jetzt ein Buch mit 146 Seiten daraus geworden ist“, so Seidel.

Die Orientierung für Interessenten fällt leicht. Allen Gemeinden und Ämtern des Landkreises ist im Buch jeweils ein Abschnitt gewidmet. Dort erläutern die Bürgermeister und Amtsdirektoren, wie sie das Thema Energiewende in ihren Gemeinden angehen. Dazu gibt es statistische Angaben zur Anzahl der Blockheizkraftwerke, Photovoltaik-, Windenergie- und Wasserkraftanlagen und die jeweiligen Beispiele. Die Akteure beschreiben ihre Motivation, berichten über die Umsetzung des Projektes sowie Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt, und geben Tipps. Dabei geht es nicht nur um die Ausrüstung von Gebäuden. So wird zum Beispiel das Projekt der Groß Kreutzer Terhorst-Agrar GmbH zum Anbau von Wildpflanzenmischungen für den Einsatz in Biogasanlagen vorgestellt (PNN berichteten). Damit werde eine interessante Alternative zu Monokulturen und zur Vermaisung der Landschaft geboten, sagte Peter Bartels.

„Wir sind mittendrin im Klimawandel“, sagte Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf der Pressekonferenz. Ein Indiz dafür sei, dass sich die Zahl der extremen Wettersituationen in den vergangenen 30 Jahren von 400 auf 800 erhöht habe. Deshalb mache es Sinn, wenn jetzt ein Überblick darüber gegeben wird, wie der Landkreis die Aufgabe angeht, den Kohlendioxidausstoß deutlich zu verringern, so Gerstengarbe. Wirtschaftsförderer Martin Rätz verwies darauf, dass in den Leitlinien des Landkreises das Ziel formuliert sei, den Elektroenergiebedarf in Potsdam-Mittelmark bis 2022 nahezu vollständig aus erneuerbaren Quellen zu decken.

Weiteres Potenzial sieht Elke Seidel vor allem in der Installation von Solaranlagen auf den Dächern des Landkreises sowie in der verstärkten Nutzung von Blockheizkraftwerken. In dieser Hinsicht hätten vor allem die mittelmärkischen Wohnungsgesellschaften noch Nachholebedarf, sagte sie. „Nicht zuletzt müssen wir das vernetzen, was wir in der Region haben.“ Hagen Ludwig