PNN 9.2.13

Seelsorge oder Landschaftsschutz ?

von Tobias Reichelt

Vor der Entscheidung zum Kirchenbau in Kleinmachnow werben beide Seiten für ihre Argumente

Kleinmachnow - Es geht um die Zukunft der Arbeit der Evangelischen Kirchengemeinde in Kleinmachnow: Seit Jahren ringen Pfarrer und Gemeindeglieder um den Bau eines neuen, größeren Gemeindezentrums am alten Dorfkern am Zehlendorfer Damm. Doch der Widerstand bei Landschaftsschützern und Teilen der Gemeindevertretung ist ungebrochen. Nun nähert sich mit dem 21. Februar erneut eine Abstimmung im Rathaus: Der Entwurf für einen Bebauungsplan für den Kirchneubau soll ausgelegt werden. Ein wichtiger Schritt für die Kirche, aber auch für die Baugegner. Die sehen ihre Chance, das Vorhaben zu stoppen. Im Vorfeld werben beide Seiten für ihre Argumente: die einen mit Führungen, die anderen mit ersten Bauentwurfsskizzen.

Am heutigen Samstag lädt der Förderverein Landschaftsschutzgebiet Buschgraben um 11 Uhr zu einem Rundgang vor Ort ein. Es gebe gute Argumente, dass die Kirchengemeinde nicht in unmittelbarer Nachbarschaft der 400 Jahre alten Dorfkirche bauen sollte, sagt die Grünen-Politikerin Barbara Sahlmann. Der Schutz der Natur im Landschaftsschutzgebiet als auch der Denkmalschutz in Kleinmachnows einstiger Keimzelle würden gegen den Bau am Dorfkern sprechen. 80 Bäume müssten gefällt werden. Gleichzeitig würde das neue Haus das historische Ensemble des Gutshofs der Familie von Hacke unwiederbringlich zerstören: Der geschichtsträchtige Hof war im März 1945 bei einem Bombenangriff in Schutt und Asche gelegt worden. Alle oberirdischen Reste wurden in den 1950er Jahren abgeräumt und die Fundamente zugeschüttet. Dem neuen Bebauungsplanentwurf nach würden die Fundamente des Herrenhauses und der Stallungen am Zehlendorfer Damm zur Überbauung freigegeben. Die Mängelliste der Baugegner führt einen weiteren Punkt an: die fehlenden Parkplätze. Die Landschaftsschützer befürchten ein Verkehrschaos an der neuen Kirche. Nur 22 Stellplätze sind bislang vorgesehen. Deshalb bitte man darum, die Kirche dort zu lasse,n wo sie heute schon ist, im Jägerstieg.

Die Argumente scheinen bereits zu fruchten: Bau- und Umweltausschuss im Rathaus haben sich mehrheitlich gegen den Bebauungsplan ausgesprochen, der Hauptausschuss hingegen dafür.

Die endgültige Entscheidung fällt in knapp zwei Wochen, das weiß auch Pfarrerin Elke Rosenthal. Es bleibt genug Zeit zum Überzeugen. Die energische Frau mit dem Kurzhaarschnitt hat sich an das biblische Motto gehalten: Gutes tun und mit anderen teilen. Mit einem kräftigen Schwung öffnet sie die Tür zu ihrem Büro im Kleinmachnower Gemeindezentrum am Jägerstieg. „Eigenes Büro kann man eigentlich nicht sagen“, sagt Rosenthal und läuft einen Bogen um einen Kreis aus zusammengesuchten Stühlen, der hier mitten in dem engen Zimmer für künftige Konfirmanden aufgebaut ist. Zielstrebig steuert die Pfarrerin einen Aktenschrank in der Ecke an. Ihr Büro.

Der Platz im Gemeindezentrum im Jägerstieg ist beengt und das schon seit Jahren. Von einst 1000 Mitgliedern nach dem Krieg ist die Gemeinde auf heute 5500 Mitglieder gewachsen. Nur die Räume eben nicht. Jeden Tag müssen im Gemeindezentrum Bänke gerückt und Tische geschoben werden, um Platz zu schaffen für die kirchliche Arbeit. Möbelschleppen vor der Seelsorge. Seit Jahren ringt die Gemeinde um den Neubau. Die Kirche will zurück ins Alte Dorf. Das neue Gemeindezentrum soll auf dem Grundriss der ehemaligen Stallungen am Zehlendorfer Damm entstehen, das Herrenhaus würde nicht bebaut.

Pfarrerin Rosenthal weiß um die Bedenken der Baugegner. Deshalb lädt die Kirche noch bis Monatsende zu einem Besuch in ihr Gemeindezentrum im Jägerstieg ein. Dort haben vier Architekten, Mitglieder aus der Gemeinde, ihre Ideen für den neuen Kirchenbau am Zehlendorfer Damm ausgehangen. Keine konkreten Entwürfe, aber Skizzen, die zeigen sollen, wie der alte Dorfkern mit der neuen Kirche aussehen könnte. Alle sollen sehen, wie der Kirchenneubau in der alten Dorfmitte wirken würde.

Die Entwürfe berücksichtigen die im Bebauungsplanentwurf vorgeschriebene Kubatur: 20 Meter tief, 37 Meter lang und zwei Stockwerke hoch darf das Haus werden. Platz für 330 Gäste soll der Saal bieten und durch Trennwände verkleinert werden können. Die Vorschläge der Architekten reichen vom Haus mit gothischem Spitzbogendach, das sich wie eine behütende Hand über die Sitzplätze im Saal legt, bis hin zu einem Ziegelbau mit großer Fensterfläche oder einem Kuppelbau mit fünfeckigem Saal, durch dessen Dachfenster die Morgensonne direkt auf den Altar scheinen soll.

Kirchenarbeit an einem zentralen Ort, das ist die Idee des neuen Zentrums. Jugendarbeit, Seelsorge, Andachten und Chorproben, alles soll in dem neuen, flexiblen Bau stattfinden. Das alte Gemeindezentrum würde hingegen leergezogen, das Gebäude verkauft. Um die Pläne endlich durchzusetzen, hat sich die Kirche von ihren ursprünglichen Bauplänen verabschiedet: Ein Saal für 700 Gäste war geplant – bis das Landesumweltamt vor einem Jahr Einspruch einlegte. Seit dem wurde um- und vor allem deutlich kleiner geplant. „Ich habe die große Hoffnung, dass das jetzt der Durchbruch ist“, sagt Pfarrerin Rosenthal.

Der Förderverein trifft sich am heutigen Samstag um 11 Uhr an der Dorfkirche. Die Bauskizzen sind im Gemeindezentrum, Jägerstieg 2, bis Ende Februar zu sehen.