PNN 6.2.13

Ein erster Nadelstich

von Kirsten Graulich

Weiter Ärger im Anflug. Demnächst soll auch die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Wannseeroute verhandelt werden.

Stahnsdorfer Bestandsaufnahme nach juristischem Zwischensieg im Kampf gegen die Wannseeroute

Stahnsdorf – Ein erster Nadelstich sei das gewesen. So kommentierte Wolfgang Brenneis von der Stahnsdorfer Bürgerinitiative gegen Fluglärm die kürzlich vom Oberverwaltungsgericht für unrechtmäßig erklärte Wannseeroute für den BER Schönefeld (PNN berichteten). Die Initiative hatte am Montagabend ins Gemeindeamt eingeladen, um nun über die nächsten Schritte zu informieren. Der Andrang war groß, einige der über 200 Besucher harrten im Gang aus, weil die Plätze im Sitzungssaal nicht ausreichten.

Gleich zu Beginn stellte Brenneis weitere Nadelstiche in Aussicht. Der nächste könnte von der Deutschen Umwelthilfe kommen. Die Klage der bundesweit tätigen Umweltorganisation war zur späteren Verhandlung von den Klagen der Kommunen Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf abgetrennt worden. Sie hatte geltend gemacht, dass es vor der Festlegung der Flugrouten durch die Deutsche Flugsicherung (DFS) keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben habe. Sollte das Gericht feststellen, dass der Wegfall dieser Prüfung unzulässig war, müsste die DFS alle Routen neu festlegen, erklärte Rechtsanwalt Remo Klinger, dessen Kanzlei Geulen & Klinger die Gemeinden Kleinmachnow und Stahnsdorf, die Stadt Teltow sowie sechs Privatleute vertritt.

 

Klinger, der auf Luftfahrtrecht spezialisiert ist, berichtete, dass seine Kanzlei sich zwei Jahre vorbereitet habe, ehe die Klageschrift, die rund 1000 Seiten umfasst, eingereicht wurde. Schon am ersten Verhandlungstag am 23. Januar befand das Oberverwaltungsgericht, dass die Risiken beim Überfliegen des Forschungsreaktors in Wannsee nicht ausreichend geprüft worden sind. Klinger: „Damit ist erstmals in Deutschland eine Klage gegen Flugrouten vor Gericht erfolgreich gewesen.“ Er sei sich aber sicher, dass das für Flugrouten zuständige Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) in Revision gehen werde. Dann würde das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden. Bislang habe sich das Gericht hauptsächlich dem Aspekt gewidmet, wie hoch ein Havarie- und Attentatsrisiko im Fall des Forschungsreaktors sei.

Die anschließenden Fragen der Besucher zeigten, dass die fehlende Bürgerbeteiligung viele verärgert hatte. Denn eine Auslegung der Pläne habe in keiner der betroffenen Gemeinden stattgefunden. Klinger: „Derjenige, der betroffen ist, muss die Möglichkeit haben, dazu vor Gericht gehen zu können“. In dieser Frage sei das deutsche Verfassungsrecht nicht mit dem Europarecht vereinbar. Auch wenn Bürger nach deutschem Recht nicht an der Festlegung von Flugrouten beteiligt werden, „heißt das ja nicht, dass man das nicht machen müsste“. Klinger sieht durchaus Möglichkeiten, dieses Recht aus übergeordneten Rechtssätzen abzuleiten. Denn auch die Rechtsprechung entwickle sich weiter, so der Anwalt. Mehrere Fragen gab es zu Einzelfreigaben von Flügen ab einer Höhe von 1500 Metern. Die seien von der Entscheidung des Gerichtes nicht erfasst, hatte BAF-Direktor Nikolaus Hermann kürzlich durchblicken lassen, dass die Umlandgemeinden trotz des Urteils mit Überflügen rechnen müssten. Klinger verwies dazu auf ein Urteil aus Kassel, demzufolge dauernde Einzelfreigaben auch rechtswidrig seien. Vorsorglich wollen einige Initiativen demnächst zu einer Aktion „Weg mit Einzelfreigaben“ aufrufen.

Klinger sprach von einem „harten Stück Arbeit“, das noch zu bewältigen sei. Gegenwind zu den Flugrouten kommt derzeit auch aus Brüssel, weil die Folgen für Natur und Umwelt nicht untersucht worden seien (PNN berichteten). Noch in diesem Jahr soll zudem über die Klage der Umwelthilfe verhandelt werden. „Wir gucken von Spiel zu Spiel“, gab sich Klinger am Montagabend optimistisch, das Verfahren letztendlich zu gewinnen.