PNN 9.7.12

Endstation Machnower Schleuse

von Hagen Ludwig

Die historische Straßenbahn ist ein Besuchermagnet geworden – jetzt wird sie vollständig restauriert

Region Teltow - Viele Jahre fuhr sie auf der Linie 96, die einst Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow direkt mit Lichterfelde und der Berliner Stadtmitte verband. Seit drei Jahren steht die Straßenbahn, Baujahr 1929, nun direkt an der Kleinmachnower Schleuse und wird von den Heimatvereinen der Region als Informationszentrum genutzt. „Im Komplex mit der Schleuse und der alten Schleusnerbude ist sie zu einem wichtigen Besuchermagneten geworden“, zog Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Sonntagmittag Bilanz. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen der Region und Vertretern der Heimatvereine begrüßte er am historischen Triebwagen die 10 000. Besucherin: Sabine Fricke-Gottschild ist vor einem Jahr von Stahnsdorf in die indische Stadt Bangalore gezogen, dieser Tage besucht sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und einem in den USA lebenden Onkel ihre alte Heimat. Weil sie sich nach wie vor für das Geschehen in der Region interessieren, führte ihr Weg auch an die Schleuse.

Am Sonntag war vorerst auch die letzte Gelegenheit, die alte Straßenbahn zu besichtigen, denn bis zum Jahresende soll sie nun vollständig restauriert werden. Ursprünglich war sie 1999 an der Ecke Elbestraße/Weserstraße in Teltow aufgestellt worden – dort blieb sie weitgehend unbeachtet. Ein unpassender Ort, befand eine von den Heimatvereinen der Region getragene Interessengemeinschaft und initiierte 2009 die Umsetzung an die Machnower Schleuse – dort wo sich einst auch die Endhaltestelle der Linie 96 befand. Schritt für Schritt begann man, die Bahn wieder auf Vordermann zu bringen. Sie war zwar 1996 schon einmal von der Arbeitsförderungsgesellschaft Teltow restauriert worden, doch davon war nicht mehr viel zu sehen. Mittlerweile wurden die elektrischen Anlagen und das Dach repariert, auch die Inneneinrichtung ist weitgehend original wiederhergestellt. Hinweisschilder wie „Damen mit unverdeckten Haarnadelspitzen sind von der Beförderung ausgeschlossen“ erinnern dort an vergangene Zeiten.

Ausgedehnte Rostflecken an der Außenhaut der Bahn oder die maroden Fahrtrichtungsanzeiger lassen jedoch noch dringenden Handlungsbedarf erkennen. „Nach einer Ausschreibung sind jetzt fünf Firmen der Region mit der weiteren Restaurierung beauftragt worden“, sagte der Vorsitzende der Interessengemeinschaft, Wolfgang Schulz, am Sonntag. Der Hauptteil seien Blech- und Holzarbeiten. Im Juni hatten die Kommunalparlamente von Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf beschlossen, die weitere Restaurierung mit insgesamt 30 000 Euro zu finanzieren. Weitere 10 000 Euro kommen aus Lottomitteln, für deren Ausreichung sich die SPD-Landtagsabgeordnete Andrea Wicklein bei der Landesregierung eingesetzt hat.

Symbolische Fahrkarten erhielten die Gäste am Sonntag von Peter Ernst – mit einer Original-Dienstmütze auf dem Kopf und einer abgenutzten alten Schaffnertasche verbreitete er historisches Flair. Der alteingesessene Güterfelder erinnert sich noch gern an die Linie 96. „Bis zum Mauerbau konnte man mit ihr gemütlich von der Schleuse aus für 20 Pfennig zum Beispiel bis zur Oper Unter den Linden fahren – ein Angebot, das viel genutzt wurde“, erzählte er.

Akribisch haben Mitglieder der Interessengemeinschaft mittlerweile die historischen Fakten der einstigen Straßenbahnverbindung zusammengetragen, wie Peter Jäckel vom Teltower Heimatverein am Sonntag verdeutlichte. Am 1. Juli 1888 war eine erste 5,2 Kilometer lange, eingleisige Strecke einer Dampfstraßenbahn vom Bahnhof Groß-Lichterfelde (heute Lichterfelde-Ost) über Seehof nach Teltow in Betrieb genommen worden. Bis zum Jahr 1905 wurde die Strecke auch wegen der vielen Ausflügler schrittweise um 4,8 Kilometer bis zur Kleinmachnower Schleuse am Teltowkanal verlängert – 1907 ersetzte man Dampfstraßenbahnen durch elektrische Triebwagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren im Jahr 1946 wieder die ersten Bahnen auf der Linie 96, doch mit dem Mauerbau am 13. August 1961 wurde der Schienenstrang schließlich für immer getrennt.

ZUR GESCHICHTE Die Linie 96 nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach Kriegsende wurde der Betrieb auf der Linie 96 wieder aufgenommen. Zur Zeit der Blockade der Berliner Westsektoren durch die Sowjetunion vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 verband die Linie weiter den amerikanischen Sektor von Berlin mit der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow. An der Grenze bei Lichterfelde-Süd wechselten jedoch die Schaffner. Nach Zwischenfällen in der SBZ setzte die BVG-West ihr Personal ab 14. Oktober 1950 nur noch bis zur Sektorengrenze ein. Die Strecke von Teltow-Seehof bis zur Schleuse wurde ab 21. Dezember 1950 von der BVG Ost betrieben. An der Grenze mussten die Reisenden umsteigen. Durch den Mauerbau am 13. August 1961 wurde der durchgehende Verkehr endgültig unterbrochen. Der Betrieb auf der Reststrecke zwischen Seehof und Schleuse wurde durch Omnibusse übernommen.

Quelle: H. Duwe/P. Hahn