PNN 18.5.12

Jugend ohne Dach

von Ariane Lemme

In anderen größeren Gemeinden kein Problem: Ein Klub, in dem die Jugendlichen auch noch am Abend ihre Freizeit locker verbringen können.

Bildungsausschuss drängt zur Eile. Seit Jahren wird über einen neuen Klub debattiert – passiert ist nichts

Kleinmachnow - Rund 4500 Kleinmachnower Kinder und Jugendliche suchen ein Dach über dem Kopf. Konkret fehlen ihnen Treffpunkte wie Schülercafés oder Jugendklubs. In ihrer Freizeit treffen sie sich überwiegend auf Spielplätzen oder auf dem Rathausmarkt. Wirklich gern gesehen sind sie von vielen Erwachsenen dort nicht, immer wieder mal gibt es Beschwerden wegen Lärm, verstreutem Müll und Alkoholkonsum. Bei den Jugendlichen beliebt seien vor allem Spielplätze mit überdachten Sitzgelegenheiten, erklärte der Streetworker Alexander Bonatz jetzt den Mitgliedern des Kleinmachnower Bildungsausschusses.

Die Gemeindevertreter hatten Anfang dieses Jahres die Verwaltung aufgefordert, mögliche Räume für einen neuen Jugendklub zu identifizieren. Das Ergebnis wurde am Dienstagabend vorgestellt – und heftig diskutiert. „Kein einziger der genannten Orte eignet sich tatsächlich für ein Jugendzentrum“, ärgerte sich SPD-Fraktionschef Jens Klocksin, der mit einem Antrag die Standortsuche erst ins Rollen gebracht hatte. Aus der Liste der Verwaltung ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Zudem werde in der Vorlage empfohlen, aus wirtschaftlichen Gründen Angebote für unterschiedliche Bedürfnisse zusammenzufassen. Demnach könnten etwa im Meiereifeld 33 ein Begegnungshaus für Vereine, im Zehlendorfer Damm 200 eines für Kunst und Kultur entstehen. Für ein Jugendhaus gebe es Platz im Fashion Park, am Stahnsdorfer Damm oder im Europarc Dreilinden. Eventuell wäre auch die Union Sozialer Einrichtungen bereit, einen Teil ihrer Räume am Fuchsbau 47 für eine soziokulturelle Nutzung zu vermieten.

Die Aufgabe habe aber klar darin bestanden, Raum für die Jugend zu finden, nicht aber Begegnungsstätten für Ältere oder Vereine, erklärte Klocksin und forderte bis zur nächsten Sitzung des Kulturausschusses einen konkreten Plan. Noch in diesem Jahr, so Klocksin, müsse ein Raum gefunden werde, der zudem nicht unmittelbar in einem Wohngebiet liegt. Das sei unabdingbar, damit sich die Jugendlichen auch mal bis zum späten Abend bei lauter Musik treffen könnten. „Alles andere wäre ein Trauerspiel.“ Auch Roland Templin (Bik) und Thomas Singer (Linke) drängten zur Eile.

Fakt ist: Die Gemeinde debattiert seit Jahren über das Problem, passiert ist nichts, im Gegenteil: Der Jugendklub JKT musste im vergangenen Sommer schließen, einige der Bands, die dort probten, haben sich mittlerweile Räume in Berlin gesucht. Geblieben ist allein der Carat-Klub im Rathaus, der allerdings schließt bereits um 20 Uhr und fällt für die Abendstunden als Option aus.

Nach fast zweistündiger Diskussion stand dann am Dienstagabend zumindest fest, dass auch die Wünsche und Vorstellungen derer mit einbezogen werden sollten, um die es geht: „Es ist wichtig, dass die Jugendlichen das Projekt mitgestalten“, fasste der Ausschussvorsitzende Jürgen Nieter (CDU) zusammen.

Immerhin hatten die Gemeindevertreter mit Alexander Bonatz, dem bislang einzigen Streetworker der Kommune, einen Anwalt der Jugendlichen eingeladen. Seit anderthalb Jahren bemüht er sich auf seinen wöchentlichen Touren über die Spielplätze darum, Vertrauen aufzubauen und Zugang zu den Heranwachsenden zu finden. Denn auch wenn Kleinmachnow nicht Berlin-Neukölln ist: Probleme mit der Schule, mit Eltern, Freunden, aber auch mit Alkohol haben die Teenager auch hier. Seine halbe Stelle soll deshalb zum kommenden Jahr um eine weitere volle Stelle ergänzt werden. „Am liebsten wäre den Jugendlichen vermutlich ein Café an der Skaterfläche im Europarc. Dann müssten sie nicht immer nach Hause radeln, wenn es regnet“, sagte Bonatz. Auch der Düppelteich und der Wald in den Kiebitzbergen seien bevorzugte Treffpunkte.