PNN 18.10.2011

Köhns Dilemma

von Thomas Lähns

Altanschluss-Streit: Zweckverband Teltow führt Musterverfahren gegen zwei Stadtverordnete

Teltow - Wenn man es genau nimmt, muss Wolfgang Köhn gegen sich selber klagen. Der Teltower hat vor Kurzem seinen Widerspruchsbescheid vom Wasser- und Abwasserzweckverband erhalten: Wie rund 5000 andere Grundstücksbesitzer in der Rübchenstadt soll auch er nachträglich für seinen Abwasseranschluss aus DDR-Zeiten zahlen – was er ablehnt. Der Privatmann Köhn ist Altanschließer, aber dass ausgerechnet er für das angestrebte Musterverfahren des WAZV „Der Teltow“ herangezogen wird, sei eine unglückliche Wahl. Denn Köhn sitzt als Stadtverordneter der Linken auch in der Verbandsversammlung. Und dort muss er für die Interessen seines Verbandes streiten – auch gegen renitente Altanschließer.

Er selbst könne mit diesem Dilemma vielleicht noch leben, sagt Köhn, zumal er die Befangenheitsfrage mit dem Innenministerium geklärt habe. Er dürfe weiter in der Verbandsversammlung mitentscheiden, hieß es aus Potsdam. „Aber dass vier Leute willkürlich ausgewählt wurden, von denen zwei Stadtverordnete sind, ist nicht in Ordnung“, findet er. Neben ihm soll die Abgeordnete Angelika Gebauer (fraktionslos) ihre Position als Altanschließerin gerichtlich behaupten.

Wie berichtet müssen die Zweckverbände seit diesem Jahr Anschlussbeiträge von Kunden erheben, deren Grundstücke noch zu DDR-Zeiten an das öffentliche Netz angeschlossen worden sind. Hintergrund ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2007, nach der sich auch Altanschließer an Investitionen der Verbände nach 1990 beteiligen müssen. Wie überall hatte sich auch in Teltow eine Klagewelle gegen die Altanschluss-Beiträge angebahnt. Um nicht mit jedem Einzelnen streiten zu müssen, will der hiesige Verband Musterverfahren führen und so Rechtssicherheit schaffen. Bis auf Weiteres sollen keine Widerspruchsbescheide an wehrhafte Altanschließer verschickt werden – nur an die ausgewählten Grundstückseigner. Die müssen nun klagen, wenn sie nicht zahlen wollen – eine „große persönliche, zeitliche und finanzielle Belastung“, wie Köhn unterstreicht.

Der Stadtverordnete kritisiert, dass sein Verband bei der Auswahl keine Rücksprache mit dem Anwalt der Altanschließer gehalten hatte. „So macht das Verfahren keinen Sinn“, sagt er. Es müsse in diesem Punkt Einvernehmen zwischen beiden Seiten herrschen. Ein entsprechender Beschluss sei eigentlich Anfang Juli in der Verbandsversammlung gefasst worden. Das Protokoll der Sitzung sei jedoch „böswillig entstellt“ worden, behauptet Köhn und greift dabei gezielt Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) an, der gleichzeitig Verbandsvorsteher ist. „Durch das Weglassen der Passage sah sich Herr Grubert in der Lage, die von ihm persönlich verfassten Bescheide an beliebige Einwohner Teltows zu schicken.“

Köhns Fraktion aus Linken und Grünen will zur nächsten Stadtverordnetenversammlung am 26. Oktober eine Stellungnahme einbringen, in der das Vorgehen des Verbandes und des Vorstehers missbilligt wird. „Es zeichnet sich ab, dass die Auswahl der Verfahrensgegner zum Schaden des WAZV und auch der Stadt Teltow ist“, heißt es darin.

Michael Grubert verwehrt sich indes gegen den Vorwurf der Willkür. Die vier betroffenen Altanschließer seien ausgewählt worden, weil ihre Fälle exemplarisch für viele andere stünden. „Wenn Herr Köhn weitere Vorschläge hat, dann werden wir auch diese Personen in das Verfahren aufnehmen“, so Grubert. Ihm gehe es nur darum, dass der Verband nicht mehrere Hundert Prozesse führen muss.

Dafür muss Wolfgang Köhn nun den Klageweg beschreiten. Als Abgeordneter und Verbandsvertreter könne er die Altanschluss-Beiträge nicht kategorisch ablehnen. „Es muss schon Gerechtigkeit herrschen“, räumt er ein. Allerdings sollten Altanschließer dann auch nicht doppelt zur Kasse gebeten werden. Wenn man zu DDR-Zeiten bereits „beitragsähnliche Leistungen“ erbracht hat, argumentiert Köhn, dann müsse man die von den aktuellen Forderungen auch abziehen können.

Der Stadtverordnete verweist auf das in den 1930er Jahren erschlossene Wohngebiet Teltow-Seehof. Auf den damaligen Kaufverträgen für die Grundstücke ist laut Köhn auch ein separater Posten als Beitrag für den Anschluss an das Abwassernetz aufgeführt. 500 Reichsmark habe man damals bei einer 600 Quadratmeter großen Parzelle dafür bezahlt. Multipliziere man den Betrag mit dem gängigen Kaufkraftindex, käme man auf rund 2000 Euro. Und das sei ungefähr die Summe, die nun als Altanschluss-Beitrag noch einmal kassiert werden soll.

Einen entsprechenden Antrag will Köhn jetzt in der Verbandsversammlung einbringen. So könnte er für einen Kompromiss im Altanschließer-Streit sorgen – und sein inneres Dilemma auflösen.

Die Verbandsversammlung trifft sich am Donnerstag, 20. Oktober, um 19 Uhr in der Geschäftsstelle der MWA, Fahrenheitstraße 1 in Kleinmachnow.