PNN 18.10.2011
Altanschluss-Streit: Zweckverband Teltow führt
Musterverfahren gegen zwei Stadtverordnete
Teltow - Wenn man es genau nimmt, muss Wolfgang Köhn gegen sich selber
klagen. Der Teltower hat vor Kurzem seinen Widerspruchsbescheid vom Wasser- und
Abwasserzweckverband erhalten: Wie rund 5000 andere Grundstücksbesitzer in der
Rübchenstadt soll auch er nachträglich für seinen Abwasseranschluss aus
DDR-Zeiten zahlen – was er ablehnt. Der Privatmann Köhn ist Altanschließer,
aber dass ausgerechnet er für das angestrebte Musterverfahren des WAZV „Der
Teltow“ herangezogen wird, sei eine unglückliche Wahl. Denn Köhn sitzt als
Stadtverordneter der Linken auch in der Verbandsversammlung. Und dort muss er
für die Interessen seines Verbandes streiten – auch gegen renitente
Altanschließer.
Er selbst könne mit diesem Dilemma vielleicht noch leben, sagt Köhn, zumal
er die Befangenheitsfrage mit dem Innenministerium geklärt habe. Er dürfe
weiter in der Verbandsversammlung mitentscheiden, hieß es aus Potsdam. „Aber
dass vier Leute willkürlich ausgewählt wurden, von denen zwei Stadtverordnete
sind, ist nicht in Ordnung“, findet er. Neben ihm soll die Abgeordnete Angelika
Gebauer (fraktionslos) ihre Position als Altanschließerin gerichtlich
behaupten.
Wie berichtet müssen die Zweckverbände seit diesem Jahr
Anschlussbeiträge von Kunden erheben, deren Grundstücke noch zu DDR-Zeiten an
das öffentliche Netz angeschlossen worden sind. Hintergrund ist eine
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2007,
nach der sich auch Altanschließer an Investitionen der Verbände nach 1990
beteiligen müssen. Wie überall hatte sich auch in Teltow eine Klagewelle gegen
die Altanschluss-Beiträge angebahnt. Um nicht mit jedem Einzelnen streiten zu
müssen, will der hiesige Verband Musterverfahren führen und so Rechtssicherheit
schaffen. Bis auf Weiteres sollen keine Widerspruchsbescheide an wehrhafte
Altanschließer verschickt werden – nur an die ausgewählten Grundstückseigner.
Die müssen nun klagen, wenn sie nicht zahlen wollen – eine „große persönliche,
zeitliche und finanzielle Belastung“, wie Köhn unterstreicht.
Der Stadtverordnete kritisiert, dass sein Verband bei der Auswahl keine
Rücksprache mit dem Anwalt der Altanschließer gehalten hatte. „So macht das
Verfahren keinen Sinn“, sagt er. Es müsse in diesem Punkt Einvernehmen zwischen
beiden Seiten herrschen. Ein entsprechender Beschluss sei eigentlich Anfang
Juli in der Verbandsversammlung gefasst worden. Das Protokoll der Sitzung sei
jedoch „böswillig entstellt“ worden, behauptet Köhn und greift dabei gezielt
Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) an,
der gleichzeitig Verbandsvorsteher ist. „Durch das Weglassen der Passage sah
sich Herr Grubert in der Lage, die von ihm persönlich
verfassten Bescheide an beliebige Einwohner Teltows zu schicken.“
Köhns Fraktion aus Linken und Grünen will zur nächsten
Stadtverordnetenversammlung am 26. Oktober eine Stellungnahme einbringen, in
der das Vorgehen des Verbandes und des Vorstehers missbilligt wird. „Es
zeichnet sich ab, dass die Auswahl der Verfahrensgegner zum Schaden des WAZV
und auch der Stadt Teltow ist“, heißt es darin.
Michael Grubert verwehrt sich indes gegen den
Vorwurf der Willkür. Die vier betroffenen Altanschließer seien ausgewählt
worden, weil ihre Fälle exemplarisch für viele andere stünden. „Wenn Herr Köhn
weitere Vorschläge hat, dann werden wir auch diese Personen in das Verfahren
aufnehmen“, so Grubert. Ihm gehe es nur darum, dass
der Verband nicht mehrere Hundert Prozesse führen muss.
Dafür muss Wolfgang Köhn nun den Klageweg beschreiten. Als Abgeordneter und
Verbandsvertreter könne er die Altanschluss-Beiträge nicht kategorisch
ablehnen. „Es muss schon Gerechtigkeit herrschen“, räumt er ein. Allerdings
sollten Altanschließer dann auch nicht doppelt zur Kasse gebeten werden. Wenn
man zu DDR-Zeiten bereits „beitragsähnliche Leistungen“ erbracht hat,
argumentiert Köhn, dann müsse man die von den aktuellen Forderungen auch
abziehen können.
Der Stadtverordnete verweist auf das in den 1930er Jahren erschlossene
Wohngebiet Teltow-Seehof. Auf den damaligen Kaufverträgen für die Grundstücke
ist laut Köhn auch ein separater Posten als Beitrag für den Anschluss an das
Abwassernetz aufgeführt. 500 Reichsmark habe man
damals bei einer 600 Quadratmeter großen Parzelle dafür bezahlt. Multipliziere
man den Betrag mit dem gängigen Kaufkraftindex, käme man auf rund 2000 Euro.
Und das sei ungefähr die Summe, die nun als Altanschluss-Beitrag noch einmal
kassiert werden soll.
Einen entsprechenden Antrag will Köhn jetzt in der Verbandsversammlung
einbringen. So könnte er für einen Kompromiss im Altanschließer-Streit sorgen –
und sein inneres Dilemma auflösen.
Die Verbandsversammlung trifft sich am Donnerstag, 20. Oktober, um 19 Uhr in
der Geschäftsstelle der MWA, Fahrenheitstraße 1 in Kleinmachnow.