PNN 19.11.10

 

Bund stoppt Schleusen-Ausbau

Ein Erfolg des jahrelangen Widerstands von Bürgern und Politikern wird gefeiert (19.11.10)

Von Hagen Ludwig

 

Ganz oben auf dem Aktenberg: Eine 40-Millionen-Euro-Spardose samt Unterschriftenliste hatten die Gegner des geplanten Ausbaus der Machnower Schleuse auch an Brandenburgs Infrastrukturminister übergeben. Foto: Manfred Thomas

Kleinmachnow - Der Kampf eines breiten Aktionsbündnisses gegen den Ausbau der Kleinmachnower Schleuse hat sich gelohnt. Die Bundesregierung hat die Pläne endgültig zu den Akten gelegt. Die Schleuse im Teltowkanal soll jetzt nur noch instandgesetzt werden, teilte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gestern mit. Als Grund nannte er notwendigen Einsparungen im Bundeshaushalt. Die vorhandene Bausubstanz werde lediglich restauriert, Eingriffe in die Natur seien nicht mehr zu befürchten. Auch ohne den Ausbau werde der Verkehr auf dem Teltowkanal mit den derzeit zugelassenen Schiffen möglich sein, so Ramsauer.
Die Entscheidung setzt einen Schlusspunkt unter jahrelanges Bürger-Engagement. Auch Landes- und Bundespolitiker aus der Region sowie Umweltverbände hatten sich gegen den Ausbau stark gemacht. Ihr Argument: Der geplante Bau einer 190 Meter langen Schleusenkammer, wie es ein Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahre 1992 vorsah, sei weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Befürchtet wurden erhebliche Abbaggerungen im Uferbereich.

 

Unentwegt. In Kleinmachnow riss der Protest gegen den Schleusenausbau nicht ab. Foto: Andreas Klaer/Archiv

Die Kleinmachnower Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm war gestern die erste Politikerin, die die Botschaft vom Ausbau-Stopp verkündete. Zwei Stunden später kam die Bestätigung aus dem Bundesministerium. Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) wurde von der Nachricht überrascht. Die Landesregierung hatte sich bis zuletzt für den 190-Meter-Ausbau ausgesprochen. „Wichtig ist, dass die Schleuse funktionsfähig bleibt“, sagte er gestern den PNN. Dafür müsse sie zumindest auf eine Länge von 115 Metern ausgebaut werden – zumindest das wolle man man jetzt mit Nachdruck vom Bund fordern, so Vogelsänger.
Die Erklärung des Bundesministers zum Ausbaustopp ist indes eindeutig. „Gern würde ich Herrn Ramsauer dafür umarmen und ihm danken“, war gestern die erste spontane Reaktion des bekannten Kleinmachnower Umweltaktivisten Gerhard Casperson. Der Ausbau hätte das Landschaftsbild rund um den Machnower See unwiederbringlich zerstört, sagte er. „Das ist eine der besten Entscheidungen des Bundesverkehrsministers“, sparte auch Abgeordnete Behm nicht mit Lob. Eine aktuelle Studie im Auftrag der bündnisgrünen Bundestagsfraktion zum Schiffsverkehr habe erneut belegt, dass der Bedarf für eine 190 Meter lange Schleuse nicht vorhanden sei.
Zu den vielen Ausbaugegenern zählte ebenso Bundesumwelt-Staatssekretärin Katherina Reiche (CDU). „Die Verkehrsprognosen, die dem Ausbau ursprünglich zugrunde gelegt wurden, haben sich nicht bewahrheitet“, sagte sie gestern. „In Zeiten knapper Kassen können nur Projekte realisiert werden, die wirklich notwendig sind.“ Reiche würdigte die Arbeit der Bürgerinitiativen vor Ort, die sich seit 1997 gegen den Ausbau der Schleuse gewehrt haben. „Es zeigt sich, dass sich Hartnäckigkeit und klare Argumente lohnen“, so Reiche. Endlich sei Vernunft eingekehrt, begrüßte die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein (SPD) den Ausbau-Stopp. Auch sie hatte sich in der Vergangenheit vehement gegen die Pläne der Bundesregierung ausgesprochen.
Schon im Jahr 2003 hatte sich die Bundesregierung von den Plänen zum Ausbau des Teltowkanals verabschiedet. Seitdem werden an der Wasserstraße nur noch Instandsetzungsarbeiten ausgeführt – für die Ausbaugegner ein Grund mehr für ihre Proteste. Jetzt soll auch der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Schleuse aufgehoben werden. Damit erlangen die umliegenden Gemeinden Kleinmachnow und Stahnsdorf wieder die Planungshoheit über das betroffene Gebiet. (mit pet und pek)

PNN 19.10.10

 

Stopp für Schleusenausbau

Muster mit Wert

Hier kann Stuttgart etwas lernen: Früher Protest erhöht die Wirkung. Nach der Anti-Bombodrom-Bewegung hat nun in Kleinmachnow bürgerschaftliches Engagenet in Brandenburg beim Bund etwas bewegt. Ein Kommentar von Peter Tiede. (19.11.10)

Die Schleuse in Kleinmachnow wird nicht ausgebaut. Bürger haben sich durchgesetzt gegen als sinnlos, großspurig und unökologisch empfundene Bau- und Verkehrspläne. Und Politiker haben sich durchgesetzt, Politiker aus der Region, die auch bürgerschaftlich agierten. Es ist eine bunte Truppe, die sich seit 1997 wehrte und nun Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) dazu brachte, auf das Projekt zu verzichten. Es waren eben neben der Grünen-Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm aus Kleinmachnow auch Andrea Wicklein von der SPD und Katherina Reiche von der CDU, die auf Bundesebene Druck machten, während die Lokalpolitiker und die Bürger vor Ort kämpften – auch gegen die eigene Landesregierung.
Der Erfolg der Kleinmachnower ist gleichzusetzen mit dem der Bombodrom-Gegner, die die Nutzung der Wittstocker Heide durch die Bundeswehr verhinderten. Und beide Widerstandsbewegungen sind ein Zeichen dafür, dass frühzeitiger Widerstand schon in den Planungsphasen und parteiübergreifender, unideologischer Protest etwas bewegen können. Deutschland mag auf „Stuttgart 21“ schauen, wir auf Wittstock und Kleinmachnow. Es ist ein Triumph der zusammenführt: Bürger und Politiker. pet