PNN 15.10.10

 

Von Tobias Reichelt und Hagen Ludwig

Region Teltow fordert Baustopp für BBI

Kommunen stellen Geld für Klage bereit / Ärger auch in Werder, Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal (15.10.10)

Potsdam-Mittelmark - Die politischen Vertreter der vom Fluglärm bedrohten Kommunen Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf machen ernst: Einstimmig forderten sie am Mittwochabend auf der Sitzung der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft „Der Teltow“ einen sofortigen Baustopp für den künftigen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI). Erst wenn verträgliche Flugrouten entwickelt seien, dürfe weitergebaut werden, heißt es im gemeinsamen Beschluss. Jetzt sei die brandenburgische Landesregierung gefordert, die von der Deutschen Flugsicherung vorgeschlagenen Flugrouten zu verhindern. Zeitgleich kündigten die Bürgermeister Teltows, Kleinmachnows und Stahnsdorf an, gemeinsam alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen zu wollen, um den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenbau zu kippen.

„Das Ziel ist ein Baustopp“, sagte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) gegenüber den PNN. Dazu wollen alle drei Kommunen Geld aus ihren Haushalten bereitstellen. In Kleinmachnow liegen bereits 30 000 Euro bereit, im kommenden Jahr könnte weitere 30 000 Euro fließen. Teltow und Stahnsdorf wollen nachziehen, kündigten die jeweiligen Bürgermeister an. Die Beschlüsse darüber stehen in den kommunalen Gremien aber noch aus.

Die Kommunen wollen zunächst prüfen lassen, inwieweit der Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenbau rechtlich angreifbar ist. Ein namentlich nicht genannter Universitätsprofessor soll die Aufgabe übernehmen, sagte Grubert. Schon zur nächsten Sitzung der Fluglärmkommission am 8. November wollen die Bürgermeister das Rechtsgutachten in den Händen halten.

Hintergrund sind die von der Deutschen Flugsicherung Anfang September veröffentlichen Entwürfe der Flugrouten vom BBI. Im Gegensatz zu den bisher aus den Planfeststellungsbeschlüssen bekannten Routen müssen Einwohner demnach mit stärkerem Luftverkehr und mehr Lärm rechnen. Statt an Teltow vorbei, sollen die Düsenjets über die Rübchenstadt und ihre Nachbarkommunen Richtung Wannsee hinwegfliegen – innerhalb kürzester Zeit gründeten sich zahlreiche Bürgerinitiativen in der Region. Sie werfen der Landesregierung vor, die Anwohner getäuscht zu haben.

Erst vor einigen Wochen hatte Brandenburgs Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider (SPD) zugegeben, schon 1998 – während des Planfeststellungsverfahrens – von der Flugsicherung über nötige Routenänderungen informiert worden zu sein. Laut Bretschneider allerdings, ohne dass Details genannt wurden. Die jetzigen Routenentwürfe flossen nicht in das Planfeststellungsverfahren ein. In dem über Tausend Seiten starken Dokument heißt es vielmehr, dass die Routen erst vor Flughafeneröffnung festgelegt werden. Je nach Bedarf werde das Lärmschutzgebiet angepasst. In Bretschneiders Augen ist der Planfeststellungsbeschluss damit „juristisch wasserdicht“. Auch mehrere Juristen kamen bereits zu der Einschätzung, dass eine Klage nur geringe Erfolgsaussichten hätte.

Davon wollen sich die Politiker in der Region Teltow nicht aufhalten lassen. Sie sehen vielmehr einen erheblichen Verfahrensfehler darin, dass dem Planfeststellungsbeschluss Flugrouten zugrundegelegt wurden, die heute nicht mehr gelten. „Hätten wir davon schon früher Kenntnis gehabt, dann wäre der Standort Schönefeld niemals zustande gekommen“, sagte etwa der Kleinmachnower SPD-Politiker Jens Klocksin. Der Teltower FDP-Landtagsabgeordnete Hans-Peter Goetz warnte indes vor dem drohenden Lärm: „Uns erwartet eine Lautstärke von 62 Dezibel. Da ist jedes normale Gespräch beendet.“ Es sei notwendig, dass die Region Geld in die Hand nehme, um gegen Fluglärm zu kämpfen. „Wir müssen uns bewaffnen.“

Kleinmachnows Bürgermeister Grubert kündigte bereits an: Sollte das jetzt bereitgestellte Geld nicht reichen, wolle man nachlegen. Neben einer möglichen Klage vereinbarten die Politiker auch, eine Lärmbetroffenheitsanalyse für die Region anzufertigen. Zudem werde man gemeinsam mit den Bürgerinitiativen alternative Flugrouten überprüfen.

Große Verunsicherung herrscht mittlerweile auch in anderen Kommunen des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Wie die PNN gestern berichteten, könnten die Jets bei Landeanflügen auch über Werder (Havel) und den Schwielowsee in einer Höhe von 1000 Metern hinwegdonnern. Bekannt wurde das erst auf Nachfrage. So wächst in den Kommunen der Ärger über die Informationspolitik der Landesregierung. Heute wollen die Bürgermeister von Michendorf, Schwielowsee, Werder und Nuthetal einen gemeinsamen Brief an Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) unterzeichnen. Darin fordern sie detaillierte Informationen unter anderem über geplante An- und Abflugrouten über ihre Gemeinden und eine Aufnahme in die Fluglärmkommission. Unterstützung erhielten sie bereits gestern von der CDU-Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig. Sie erinnerte an ein Versprechen Vogelsängers, alle Kommunen in die Kommission aufzunehmen, die in einer Höhe von weniger als 2000 Meter überflogen werden. „Die Bürger der betroffenen Gemeinden haben ein Recht darauf, frühzeitig und auf Augenhöhe am Verfahren beteiligt zu werden, so Ludwig. Es müsse Schluss sein mit der „Salamitaktik“.