PNN 14.09.10

 

Von Tobias Reichelt

Schule ohne Lehrer

Elternvertreter bemängeln: Abseits offizieller Zahlen liegt die wahre Ausfallquote bei rund acht Prozent (14.09.10)

Potsdam-Mittelmark - Der Ausfallplan der Kleinmachnower Maxim-Gorki-Gesamtschule ist lang. 40 Punkte umfasste die Liste für den gestrigen Montag. Erstaunlich: Trotz neun ausgefallener Lehrer musste kein Schüler nach Hause geschickt werden – wie so oft. Im ersten Halbjahr des abgelaufenen Schuljahres zählte die Schule einen offiziellen Ausfall in der Sekundarstufe I von gerade 2,7 Prozent. Eine neue Landesstatistik beleuchtet die Zahl jetzt neu und zeigt, dass tatsächlich für 21,8 Prozent aller Stunden eine Notlösung gesucht werden musste.

Wie die Kleinmachnower Maxim-Gorki-Gesamtschule haben viele andere Schulen im Landkreis Potsdam-Mittelmark ein Mittel gegen den Unterrichtsausfall gefunden: Klassenzusammenlegungen und Stillarbeit heißen die Zauberwörter. Beides gilt nicht als Ausfall und schöne die Statistik, bemängeln jetzt Elternvertreter im Kreis. So liegt die offizielle Ausfallquote des Landes für das erste Halbjahr des abgelaufenen Schuljahres zwischen 0,8 Prozent an Grundschulen und 2,7 Prozent an Gymnasien.

„Diese Zahlen sind schöngerechnet“, sagte Kreiselternsprecher Martin Köhler den PNN. Die tatsächliche Ausfallquote liege im Landkreis bei rund acht Prozent, hätten die Elternvertreter errechnet. „Man muss genau hinsehen, wie die Zahlen des Landes zustande kommen.“ Stillarbeit sei kein Unterricht, zähle aber nicht als Ausfall, so Köhler. Komplexe Probleme könnten sich die Schüler nicht selbst vermitteln. Auch wenn sich ein Lehrer um zwei Klassen kümmert, gebe es Schwierigkeiten. Doch zu oft bleibt den Schulen keine andere Wahl.

So wurden beispielsweise an der Kleinmachnower Gorki-Schule in der Sekundarstufe I 7,5 Prozent der Stunden in zusammengelegten Klassen erteilt. Ähnliche Beispiele gibt es genug: Die Kleinmachnower Eigenherd-Grundschule hatte mit einem Ausfall von sieben Prozent zu kämpfen, federte aber fast die Hälfte davon mit Stillarbeit und Klassenzusammenlegungen ab. Nur 0,4 Prozent aller Stunden fielen aus. Im Michendorfer Wolkenberg-Gymnasium wurden in der Sekundarstufe II 4,4 Prozent der Stunden in Stillarbeit gehalten, In der Sekundarstufe II am Ernst-Haeckel-Gymnasium in Werder und am Teltower Immanuel Kant Gymnasium waren es 3,4 Prozent der Stunden. Am Kleinmachnower Weinberg-Gymnasium waren es 5,4 Prozent aller Stunden, in denen Schüler der Sek II den Unterricht ohne Lehrer verbrachten – insgesamt mussten 4,2 Prozent aller Stunden der Sekundarstufe II am Weinberg tatsächlich ausfallen.

Erst seit Beginn des neuen Schuljahres sind die detaillierten Zahlen für jede Schule im Land Brandenburg im Internet abrufbar. Für Wolfgang Kremer von der Kleinmachnower Elterninitiative „Kinder ohne Lehrer“ ein großer Erfolg. „Diese Zahlen sind die nackte Wahrheit“, sagt er. Lange hatten die Elternvertreter die Veröffentlichung gefordert. Der „gefühlte Ausfall“ gehe eben sehr viel weiter, als der tatsächliche, sagt Kremer. Die Zahlen zeigten warum. „Wir müssen den Eltern klar machen, dass ihre Kinder deshalb in Klassen mit 37 Schülern sitzen.“

Gemeinsam setzen sich die Elternvertreter dafür ein, die Vertretungsreserve im Land von drei auf sechs Prozent zu erhöhen. Derzeit müsse an vielen Schulen zusätzlicher Förderunterricht wegfallen, weil Lehrer für den Ersatz von regulärem Unterricht gebraucht würden, sagt Kremer. Wie es anders gehen kann, beweise die Gemeinde Kleinmachnow: Allen Schulen im Ort wird aus der kommunalen Kasse Geld für zusätzliche Vertretungskräfte bereitgestellt. Ein Novum im Land, aber der richtige Weg, sagt Kremer. Gemeinsam kämpfen die Eltern dafür, dass weitere Kommunen und auch das Land mehr Geld für Bildung geben, um den wahren Ausfall zu mindern.

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