PNN 28.8.10
Von Tobias Reichelt
Kleinmachnow - Als Georg Heinze im Oktober 1989 zum ersten Mal den
Todesstreifen sah, verschlug es ihm die Sprache: „Stacheldraht an Isolatoren“,
erzählt Heinze, „wie im KZ-Buchenwald.“ Schon oft war der Kleinmachnower der
Mauer nah gekommen. Als Naturschutzbeauftragter durfte er dichter ran als die
meisten Menschen in der DDR.
Er hatte einen Passierschein, um Bäume zu begutachten, auch die im Grenzgebiet.
Ein Blick hinter die „Hinterlandmauer“ blieb aber auch ihm Jahrzehnte verwehrt.
Erst als die Grenze im Oktober 1989 kaum noch kontrolliert wurde, schlich er
sich durch ein Tor. „Das hat mich schockiert“, erzählt Heinze. Das Bild der zum
Töten konstruierten Anlage grub sich in sein Gedächtnis. Eine Woche später
sagte er sich: „Das muss ich dokumentieren.“
In der Zeit von Oktober 1989 bis Februar 1991 fotografierte der gelernte
Gärtner die Grenzanlage immer und immer wieder. Über 150 Fotos sind entstanden.
Sie dokumentieren den Verfall, die Demontage aber auch die Wirkungsweise des
brutalen Schutzsystems der DDR bei Kleinmachnow. 70 seiner Bilder werden jetzt
in den Fluren der CDU-Fraktion im Potsdamer Landtag ausgestellt. Fraktionschef
Dieter Dombrowksi und der Kleinmachnower
Landtagsabgeordnete Ludwig Burkardt eröffneten die
Ausstellung mit dem Titel „Kleinmachnow eingegrenzt“. Noch bis 4. Oktober ist
sie im Landtag zu sehen.
Georg Heinze kennt den Aufbau der Mauer genau. Hinterlandmauer, elektrischer
Zaun, Stolperdraht, Fahrzeugsperren, Lichtmasten, Kontrolltürme – die Anlage
war beeindruckend und menschenverachtend, sagt der Rentner. An der Hinterlandmauer
fand er den Stolperdraht, der so vielen Flüchtenden zum Verhängnis wurde.
Heinze fotografierte alles, auch die rot-weiß-schwarzen Markierungen an den
Lichtmasten – auf jeden Menschen hinter dieser Linie sollte geschossen werden,
erfuhr der heute 72-Jährige von einem Grenzoffizier.
„Die DDR-Diktatur wird heute noch von einigen Leuten schön geredet“, sagt
Heinze. Dagegen kämpft er an. Als sachkundiger Einwohner engagiert er sich im
Umweltausschuss des Ortes. Im Blick hat Heinze seit Jahrzehnten fünf
Gartenlauben am Südufer des Machnower Sees.
Bereits als Naturschutzbeauftragter waren sie ihm zu DDR-Zeiten ein Dorn im
Auge. Sie wurden 1986/87 wider aller Regeln im
Landschaftsschutzgebiet gebaut und von der Staatssicherheit genutzt, erzählt
Heinze. Im Oktober 1988 forderte er vor der Gemeindevertretung den Abriss der
Lauben und verschickte gleichlautende Briefe an die Parteiführung vor Ort. Ein
Aufruhr ging durch die politische Landschaft. Heinze musste sein Ehrenamt an
den Nagel hängen.
Geblieben sind die fünf Bungalows. Sie stehen noch heute am Machnower
See im Naturschutzgebiet – für Heinze bleiben sie Teil
des menschenverachtenden Grenzsystems der DDR. „Da müssen wir jetzt ran“,
fordert er. So wie die Mauer, müssten auch die Lauben weg. Wenn es soweit ist,
dann will Heinze auch seine Kamera wieder hervorholen.