PNN 27.07.10
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Die Frage quält die politischen Entscheidungsträger
schon seit Jahren. Soll ein Teil des Buschgrabens, des grünen Scharniers
zwischen Kleinmachnow und Berlin, bebaut werden? Oder soll der einstige
Grenzstreifen mit seiner natürlichen Landschaft mit vielerlei ökologischen
Facetten für Flora, Fauna und Klima möglichst unberührt bleiben. Die Frage ist
so alt wie das wiedervereinte Deutschland. Denn mit dem Ende der DDR begannen
die Eigentümer eines Großteils des Areals, die Familie Gérard, die
ursprünglichen Pläne ihrer Vorfahren zu reanimieren: das für Siedlungszwecke
gekaufte Land endlich zu bebauen.
Wiederholt stand das Ortsparlament vor der Frage, ob dafür der
Flächennutzungsplan geändert werden soll – jenes Werk, das regelt, wo im Ort
Bau- und Grünland sein soll. Die letzte intensive Debatte liegt zwei Jahre
zurück: die Erbengemeinschaft hatte Pläne für 53 hochwertige Wohnungen am
Buschgraben vorgelegt und von der Gemeinde die Entscheidung verlangt, eigenen
Grund und Boden so entwickeln zu können, wie es vor 70 Jahren gedacht, durch
Krieg und deutsche Teilung aber nicht möglich war. Dies zu entscheiden nannte
seinerseits Linke-Fraktionschef Klaus-Jürgen Warnick „eine mörderische Qual“
und schlug vor, die Sache zu vertagen. So kam es – und der inzwischen
amtierende Bürgermeister Michael Grubert (SPD) legte sich während seines
damaligen Wahlkampfes fest, dass es mit ihm keine Bebauung des Buschgrabens
geben werde.
Nun steht das Thema wieder auf der Tagesordnung. Die Gérard''schen Erben haben
eine neue Idee vorgetragen. Im westlichen Teil sollen wie bisher geplant
Wohnhäuser gebaut werden. Der Erlös soll teilweise Finanzierungsgrundlage sein:
für ein Pflegeheim für Demenzkranke auf einem Areal östlich des Buschgrabens.
Ein eingeschossiger Bau auf 30 000 Quadratmetern. „Es soll eine vorbildliche
Einrichtung mit teils selbständigem Wohnen, Vollstationen und Tagespflege
sein“, beschreibt Alexander Gérard die Idee. Die Eigentümer-Familie wolle
selbst Inhaber und Betreiber des Hauses sein, in dem hochqualifiziertes
Personal beschäftigt werden soll. 20 bis 30 Millionen Euro nennt Gérard als
Investitionssumme. Und er zitiert das Interesse des weltberühmten
Architekturbüros Herzog & de Meuron, den Bau zu entwerfen. Auf der
Schaffensliste der Schweizer Baukünstler stehen solche Werke wie die
Elbphilharmonie, die Münchner Allianz-Arena oder das Olympiastadion in Peking.
In Basel wurde nach ihren Plänen ein Zentrum für Querschnitts- und
Hirnverletzte gebaut.
„Es ist ein Angebot an Kleinmachnow“, betont Gérard. Der Standort sei aufgrund
seiner Lage und des Einzugsgebietes „außerordentlich“ geeignet. „Nirgendwo
bekommt man in städtischer Lage ein 30 000 Quadratmeter großes Grundstück, das
nicht erst erworben werden muss. Denn wir verfügen darüber“, so Gérard. Das
mache das Projekt für Investoren spannend, die sich zunehmend für Projekte
dieser Art interessieren, weil es eine „Wachstumsbranche“ sei.
Was Gérard ein Angebot nennt, bezeichnet Bürgermeister Grubert als
„trojanisches Pferd“. Es sei ein durchschaubarer Schachzug, mit der Idee eines
Pflegeheims an Baurecht zu kommen. Keiner garantiere, dass nach dem zunächst
realisierten Wohnungsbau das Pflegeheim wirklich realisiert werde. „Dann kommen
Argumente einer geänderten Marktlage oder fehlender Investoren und man
beantragt die Umwandlung des Baurechts für weitere Wohnhäuser“, fürchtet
Grubert. Gérard nennt die Mutmaßungen des Bürgermeisters eine
„Unverschämtheit“. In einer internen Runde, in der die Erben ihre Idee
präsentiert hätten, habe Grubert die Pläne als „fantastisches Projekt“ gelobt.
Doch sei er öffentlich an sein Wahlkampfversprechen gebunden, meint Gérard.
Immerhin vertritt Grubert seine Position konsequent: Im jüngsten Bauausschuss
hat er vorgeschlagen, dass die vorhandene Bebauung in den Straßen Am Rund und
Wolfswerder ergänzt werden soll. Für diese städtebauliche Abrundung der
Besiedlung an der Grenze zum Buschgraben würde den Gérad’schen Erben Baurecht
für 17 Einzelhäuser gestattet werden. „Neu-Bebauung gibt es nicht“, konstatiert
Grubert.
Entscheiden muss das die Gemeindevertretung – und die ist nach wie vor
gespalten. Der Kleinmachnower SPD-Vorstand steht hinter dem Bürgermeister. Ein
städtebaulicher Abschluss der vorhandenen Situation sei sinnvoll, mehr nicht,
meint SPD-Ortschef Matthias Schubert. Sicher, so der Jurist, man könne sich
„moralisch verpflichtet“ fühlen, die Entwicklung von Flächen zu erlauben, die
vor 70 Jahren als Bauland vorgesehen waren. „Aber man kann auch ökologische
Belange höher bewerten“, so Schubert. Gleichwohl sei das Projekt „hörenswert“,
aber das Pflegeheim könne auch auf „anderen, ökologisch weniger bedenklichen
Flächen gebaut werden“.
CDU-Fraktionschef Ludwig Burkardt nennt die Pflegeheim-Pläne einen
„interessanten Ansatz, der ein öffentliches Bedürfnis befriedigen würde“. Dabei
gehe es nicht darum, den „Buschgraben zuzubauen“, sondern ein Stück privaten
Grund und Boden zu entwickeln, wie es 1932 geplant war.