PNN 29. Mai 2010

 

Von Kirsten Graulich

Problem erkannt

In Kleinmachnow und Teltow schaut man an Alkohol trinkenden Jugendlichen nicht vorbei (29.05.10)

Kleinmachnow / Teltow - Jeder 16-jährige Junge im Land Brandenburg greift mindestens einmal pro Woche zur Flasche. Allerdings nicht im Jugendklub Kleinmachnow: „Bei uns herrscht striktes Alkoholverbot!“, sagt Markus Sander. von der Jugendfreizeiteinrichtung. Er wehrt ab, wenn er zum Alkoholkonsum Jugendlicher befragt wird. Denn das sei „kein spezifisches Kleinmachnower Thema“. „Wir machen auf Gefahren aufmerksam, wollen Schüler sensibilisieren“, sagt Sander. In Schulen leiste der Jugendklub Aufklärungsarbeit. Vom aktuellen Brandenburger Suchtbericht, den Gesundheitsministerin Anita Tack kürzlich vorlegte, hat Sander allerdings noch nichts gehört.

Mindestens einmal im Monat ist für 56 Prozent der Jungen und 59 Prozent der Mädchen dieses Alters „Rauschtrinken“ angesagt, also „mehr als fünf Getränke“ am Abend. „Das deckt sich nicht mit meinen Beobachtungen“, zweifelt Sander die Zahlen an. Statistiken würden mit bestimmten Sichtweisen erstellt: „Ich sehe da einige Ungereimtheiten.“

Immerhin: Sander kann einen Erfolg der Klubarbeit benennen. Er verweist auf die „deutlich veränderte Situation auf dem Rathausmarkt“ nebenan. Es gebe weniger Beschwerden über Jugendliche, seit der Jugendklub in der Woche schon ab 13 Uhr offenstehe. Als Störfaktor wurden die Jugendlichen von Anwohnern und Gewerbetreibenden noch vor zwei Jahren empfunden, und als alkoholisierte Jugendliche auf dem benachbarten Spielplatz randalierten, befasste sich auch die Gemeindevertretung damit. „Es ist besser geworden“, bestätigt der Chef des kleinen italienischen Restaurants „Salumeria Pane e Vino“. Das Ordnungsamt habe durchgegriffen. Zwei Anwohner berichten, es lebe sich inzwischen angenehmer im Umfeld des Rathausmarktes. Nur in der letzten Woche hätten mal wieder einige Jugendliche bis morgens um halb vier rumgelärmt.

Auch Teltow kennt solche Treffpunkte: Als sich neben dem Supermarkt am S-Bahnhof ein mitternächtlicher Jugendtreff etablierte, bei dem auch Alkohol eine Rolle spielte, läutete der Stadtverordnete Eberhard Adenstedt (Grüne) vor einem Jahr die Alarmglocken. Mit einigen aus der Gruppe war er ins Gespräch gekommen. Anfangs noch aggressiv, hätten sie aber dann doch recht freimütig ihre Lebensgeschichten erzählt. „Denen fehlt jemand zum Reden, weil zu Hause nicht viel Kommunikation stattfindet“, berichtete er im Sozialausschuss.

Nun will die Stadt einen Streetworker an sozialen Brennpunkten einsetzen. Die schützende Überdachung am Treff hinterm Supermarkt ließ sie kurzerhand abbauen. Doch auch das Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, das die Stadtverordneten vor einiger Zeit absegneten, ist keine Lösung, meint Thomas Lettow von der Teltower Jugendeinrichtung Schifferheim: „Das Problem wird nur verlagert.“

Das Thema habe mehr mit der Alltagskultur zu tun, als es viele wahrhaben wollen, sagt Lettow – und nennt zwei erfolgreiche Volksfeste, bei denen es um Alkohol geht: Oktoberfest und Blütenfest. Auch im Supermarkt könne er beobachten, welchen Fusel Erwachsene zum Wochenende in ihre Körbe versenken. Werbung habe Alkohol gesellschaftsfähig gemacht, ebenso Politiker, die bei jedem Anlass das Sektglas erheben würden. „An dieser Vorbildwirkung muss auch angesetzt werden, statt nur Jugendliche im Fokus zu haben“, meint Lettow.