PNN 20.01.10

 

Von Corinna Visser

Es kann jeden treffen

Die Sozialplanverhandlungen bei Ebay in Dreilinden haben begonnen. 400 Jobs fallen weg. Zudem wird Arbeit ausgelagert (20.01.10)

Berlin - Anfang Februar könnte es so weit sein. Dann werden wohl die ersten Kollegen ihre Kündigung bekommen. Das jedenfalls befürchtet der Betriebsrat. Denn Ebay ist hart geblieben, 400 von rund 630 Mitarbeitern des Internetunternehmens am Standort Dreilinden werden bis zum 30. Juni ihren Job verlieren. Am Donnerstag trafen sich Betriebsrat und Unternehmensleitung zum ersten Mal vor der Einigungsstelle, um über einen Sozialplan zu verhandeln. „Das Gespräch war sehr enttäuschend“, sagt Sascha Korschofski, der Betriebsratsvorsitzende. „Wir haben den Eindruck gewonnen, dass die Arbeitgeberseite das Ausmaß der uns entstehenden Nachteile durch die Massenentlassung nicht ausreichend einschätzt“, sagt er. Darüber müsse weiter verhandelt werden.

Der Betriebsrat sieht durchaus Spielraum, schließlich gehe es dem Unternehmen ja keineswegs schlecht. Heute will Ebay am Hauptsitz in Kalifornien die Geschäftszahlen für das abgelaufene Quartal verkünden. In den ersten neun Monaten von 2009 hat das Internetunternehmen mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn gemacht – auch wenn die Geschäfte deutlich schlechter liefen als im Jahr zuvor. Das liegt nicht nur an der Konjunktur.

Ursprünglich war Ebay einmal unverwechselbar, ein Online-Auktionshaus, wo gebrauchte Artikel neue Besitzer fanden. Doch dieser Markt scheint ausgereizt. Um weiter zu wachsen, entwickelt sich Ebay immer mehr zu einem Marktplatz für professionelle Anbieter. Immer weniger Artikel werden tatsächlich versteigert. Damit konkurriert Ebay zunehmend mit anderen Internethändlern – allen voran Amazon. So beobachten etwa die Analysten der US-Investmentbank Piper Jaffray, dass Webseiten von Händlern bei Nutzern an Beliebtheit gegenüber Auktionen gewinnen. Und die Analysten von JP Morgan schreiben, sie erwarteten zwar im elektronischen Handel ein starkes viertes Quartal. Die schlechte Nachricht dabei aber sei: Ebay werde Marktanteile einbüßen. Das Unternehmen werde zwar nicht an Geschäftsvolumen verlieren, aber andere Wettbewerber würden schneller zulegen.

Tatsächlich begründet das Unternehmen den massiven Abbau der Stellen in Deutschland auch nicht mit der Geschäftsentwicklung – schließlich gehören die Deutschen weltweit zu den eifrigsten Ebay-Nutzern. „Der Umbau geschieht nicht aus einer schwierigen wirtschaftlichen Situation heraus“, sagt Ebay-Sprecher Nerses Chopurian. Vielmehr gehe es um eine strategische Entscheidung. Der Internethandel habe sich internationalisiert, die Nutzer in Frankreich, Deutschland oder Italien unterschieden sich nicht sehr voneinander. „Die Nutzer sind europäisch“, sagt Chopurian. Daher mache es keinen Sinn, in jedem Land eine eigene Struktur aufrechtzuerhalten. So findet die Produktentwicklung künftig in Richmond bei London statt, die Kundenbetreuung zieht nach Dublin um.

„In Kleinmachnow werden ganze Abteilungen zugemacht“, beklagt Betriebsratschef Sascha Korschofski. Dabei gehen die Arbeitnehmervertreter davon aus, dass durch die Stellenstreichungen dem Unternehmen wichtige Kompetenzen verlorengehen, die die Mitarbeiter in den vergangenen Jahren aufgebaut hätten. Im Schnitt, sagt Korschofski, arbeiten die Ebay-Mitarbeiter in Dreilinden bereits sechs Jahre bei dem Unternehmen. Und es gebe auch weiterhin genug zu tun. „Es wird bereits in großem Umfang Arbeit an externe Dienstleister vergeben“, sagt Korschofski. „Wir gehen davon aus, dass das weiter zunimmt.“ Was der Betriebsrat dabei am meisten beklagt ist, dass die Mitarbeiter in den externen Callcentern zu deutlich schlechteren Konditionen arbeiten. „Einer der Dienstleister ist das Unternehmen Competence Call Center (CCC), das bereits kräftig um Ebay-Mitarbeiter wirbt“, sagt Korschofski. Während jedoch bei Ebay Stundenlöhne von bis zu 13 Euro und mehr gezahlt würden, komme ein Callcenter-Mitarbeiter bei CCC nur auf 8,50 Euro.

Ebay-Sprecher Chopurian bestreitet nicht, dass CCC bereits für das Unternehmen arbeitet. „CCC ist einer unserer Outsourcing-Partner.“ CCC würde vor allem in Spitzenzeiten zur Beantwortung allgemeiner Anfragen eingesetzt. „Wenn unser Bedarf steigt, wird das auch ausgebaut.“ Chopurian dementiert aber, dass Ebay ähnlich wie die Drogeriekette Schlecker, vollwertige Arbeitsplätze im Unternehmen abbaue, um die Leistung dann von einem Unternehmen zuzukaufen, dass den Mitarbeitern schlechtere Arbeitsbedingungen biete. „Wir werden die höherwertigen Arbeitsplätze, die Betreuung unserer besten Kunden im Haus behalten“, sagt Chopurian.

230 Mitarbeiter zur Betreuung der deutschen Kunden werden bleiben, der Rest muss gehen. „Es kann jeden treffen“, sagt Korschofski. Die Stimmung unter den Kollegen sei dementsprechend schlecht. Die nächsten Verhandlungen in der Einigungsstelle findet heute statt. Klar ist bisher: Die bunte Vielfalt in den Ebay-Gebäuden am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden wird verschwinden. Denn dass die Muttersprachler aus Italien, Frankreich, Spanien, Belgien, den Niederlanden oder Polen ihren Job verlieren werden, ist so gut wie sicher. „Die bunte multikulturelle Atmosphäre mit sechs Sprachen wird es nicht mehr geben“, sagt auch Chopurian. Das Unternehmen sei bereit, den vom Arbeitsplatzabbau betroffenen Mitarbeitern neue Jobs in Dublin oder bei den Ebay-Töchtern Paypal oder Mobile.de in Dreilinden anzubieten. „Aber das gilt natürlich nicht für alle 400.“