PNN 01.08.09

 

Tageseltern fürchten um ihren Stand

Berufserfahrung zahlt sich nicht aus / Fortbildungen sind praktisch unmöglich (01.08.09)

Kleinmachnow - Die Regeln sind klar und sorgen dennoch für Widerspruch. Seit 1. Januar werden Tagespflegeltern im Landkreis nach einer neuen Richtlinie bezahlt. Je nach Ausbildung können die Tagesmütter und -väter seit der Reform bis zu 1400 Euro mehr verdienen. Doch in den meisten Fällen ist das die Ausnahme: Knapp 75 Prozent der mittelmärkischen Tagespflegeeltern werden nach der untersten Entgeltstufe bezahlt. Ihr Gehaltssprung betrug lediglich 600 Euro. Viele fühlen sich benachteiligt: Jahrelange Berufserfahrung und vielseitige Fortbildungen werden ihnen nicht angerechnet. Nur nach einer dreijährigen Ausbildung können sie mehr verdienen.

„Das ist Willkür“, sagte Rüdiger Schreckert gegenüber den PNN. Ihm sei die Chance zu einer höheren Bezahlung verbaut. Denn praktisch sei die vom Kreis vorgeschlagene Ausbildung kaum machbar. Jahrelang müsste Schreckert zu Schulungen – auch wochentags. Doch dann müsste er für seine Kinder einen Ersatzbetreuer finden und aus eigener Tasche bezahlen. Schreckert hält die Ausbildung deshalb für „unrealistisch“.

Gemeinsam mit anderen Tageseltern aus dem Landkreis habe er bereits im März Widerspruch gegen die Richtlinie eingelegt. Bis heute, sagt Schreckert, habe er keine Antwort erhalten. Von Anfang an stand Schreckert der neuen Pflegerichtlinie skeptisch gegenüber. Der berufserfahrene Tagesvater fühlt sich im Nachteil: Egal ob Tagespflegepersonen einen Schnellkursus über 24 Stunden oder intensive Fortbildungen von bis zu 160 Stunden absolviert hätten, die Bezahlung bleibt gleich. Im Gegensatz dazu können Tagespflegeeltern mit einer erzieherischen Ausbildung 450 Euro mehr im Monat verdienen als er. Sogar dann, wenn sie keine Berufserfahrung vorzuweisen haben. Für Schreckert ist nicht nachvollziehbar, warum er weniger qualifiziert sein soll.

Der Tagesvater befürchtet nun, dass ausgebildete Erzieher aus Kindergärten den Job wechseln und in die Tagespflege gehen. Sie könnten den bisherigen Tageseltern ihren Stand streitig machen. Denn die Bezahlung für sie von knapp 3000 Euro ist interessant, selbst wenn von dem Geld noch Steuern und Sozialabgaben, Kosten für Strom, Wasser, Lebensmittel, Spielzeug usw. getragen werden müssen. Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge werden hingegen zur Hälfte vom Kreis übernommen.

Für den Tagesvater ist das vierstufige Entgeltsystem zu starr. Zwar sei es grundsätzlich sinnvoll, für mehr Qualität auch mehr zu bezahlen, aber die Feinabstimmung stimme nicht. Schreckert fordert zumindest, die Kriterien für die ersten zwei Stufen zu überarbeiten.

Chancen dafür sieht Thomas Schulz, Leiter des Fachbereiches Soziales im Kreis, jedoch nicht. „Die Stufen sind wie sie sind“, sagte er auf Nachfrage. Die Trennung sei eindeutig: Entweder man habe eine erzieherische Ausbildung oder nicht. Das Niveau der Tagespflegekurse sei generell „flach gehalten“ und mit der dreijährigen Ausbildung zum Erzieher nicht zu vergleichen. „Wir wollen Qualität, die an die einer Kita herankommt“, sagte er. Im Übrigen sei der Landkreis „Spitzenreiter“ in Sachen Tagespflege. Kaum ein umliegender Kreis würde mehr zahlen als die in Mittelmark maximal möglichen 3400 Euro monatlich für Tageseltern in der höchsten Entgeltstufe. Probleme mit der neuen Richtlinie seien ihm bislang nicht bekannt, ebenso wie der Widerspruch von Tagesvater Schreckert. Tobias Reichelt