PNN 22.06.09

„So hübsch bin ich doch nicht!“

Art Event präsentiert neue Ausstellung im ehemaligen Kanalarbeiterhaus (22.06.09)

Kleinmachnow - Die Künstlergruppe Art Event geht seit nunmehr zehn Jahren dorthin, wo es etwas zu tun gibt. Leitspruch: Hauser kann man nicht nur verkaufen, sondern auch reanimieren. Unter jeweils einem Thema zeigte das 14-köpfige Team aus dem Raum Kleinmachnow/Stahnsdorf seine „ortsbezogenen“ und vor Ort entstandenen Arbeiten bereits im ehemaligen Stahnsdorfer Armenhaus oder in der alten Schule zu Gütergotz. Die diesjährige Ausstellung wurde am Sonnabend fast im Grünen eröffnet, schließlich steht sie unter dem vieldeutigen Thema „Treib-Haus“. Die Künstler plus -innen fanden es im ehemaligen Kanalarbeiterhaus am Zehlendorfer Damm 200, gemeindeeigen und denkmalgeschützt.

Es wurde um 1900 für Leute gebaut, die den Teltowkanal ausbuddelten, siebzehn „Mietparteien“ waren es einst. Zuletzt bewohnte es der heute 80-jährige Gärtner Josef Schöwel. Wer alles zu seiner Familie gehört, zeigt eine Bildserie von Eberhard Trodler im Entree, auch wenn der alte Herr sich sanft dagegen wehrte: So hübsch sei er doch nicht! Die Art-Event-Leute haben sich mit ihm lange unterhalten, er ist der gute Geist des maroden Hauses, ja dieses Kunstprojektes selbst. Sein Markenzeichen waren immer die Bücher, zehntausend Bücher. Recht und billig also, wenn Trodler sie zu einer Säule bis unter die Decke stapelte.

Im Esszimmer davor stellt die temperamentvolle Malerin Frauke Schmidt-Theilig neben einem gemalten Esstisch, sehr bildhaft dar, wie fragil so ein Leben sein kann. Jessi Kobek installiert den benachbarten Raum als "Lasterhöhle", darin das Trieb-Hafte im Menschen sichtbar ist. Behufs eines auch mit Kartoffelpflanzen begrünten Abbiegepfeiles möchte Michael Heyers auf versprochene, vielleicht eingelöste "blühende Landschaften" verweisen, während sein Bildhauer-Kollege Rainer Ehrt draußen einen gewaltigen Mann aus einer Uralt-Linde geschnitzt, der das Gras wachsen hört. Gleich daneben, in einer Stallung, überrascht eine achtköpfige Affengruppe den Besucher figürlich. Kennen Sie den Film mit den „Acht Frauen“, fragt Anke Fontis listig? Aus handgesponnener Wolle und Eisendraht formte Petra Walter-Moll ihr Treibhaus im Grünen. Drinnen hat sie das Bad besetzt, aus einem Küchentablett Details heraus fotografiert und also "Röschens Bad" mit einem Rosenfries verziert, rötliches Badewasser ist in der Original-Wanne...

So geht man von Raum zu Raum, schaut, staunt, denkt seinen Teil zum Treiben der Künstler, leider kann man nicht alle benennen. Anke Mühlig baute dem letzten Hausbewohner, der fünfzig Jahre keinen Urlaub kannte, eine „unwirklich leichte" Textilskulptur mit Meersand, richtig lieb. Für Guatemaltekin Damaris Watt hat das Generalthema mit „austreiben“ zu tun, deshalb die Voodoo-Trommelkomposition, ein Mini-Selbstporträt vor der Waschmaschine, weil die ja den Schmutz austreibt.

Wie einstmals ist das Haus des Gärtners ein echtes Kultur-Haus geworden: Drin denkt Emma-Maria Lange wieder über Ver-Treib-ung und Flucht in Afrika nach. Es gibt unglaublich kunstvoll gefaltete Bücher, eine berührende Installation mit lebenden Bienen zum Thema „Wachs“ und Wachsen, Tiere, die man im "Treibhaus" nicht gerne sieht, einen Leseraum mit rotem Sessel zum Ausprobieren, mehr, viel als hier festzuhalten ist. Man muss das einfach sehen, erleben...

Bis zum 27. Juni täglich 15 bis 18 Uhr geöffnet, Zehlendorfer Damm 200, Kleinmachnow. Finissage am 28. Juni, 15 Uhr.