PNN 22.11.08

 

"Wir sind doch nur die Muttis"

Tagesmütter bangen um ihre Zukunft, denn der Landkreis gibt ihnen keine Sicherheit

Von Tobias Reichelt

Kleinmachnow - Hektisch kramt Edda Ziegler einen Taschenrechner aus einer Schublade in ihrer Küche. Schon seit dem frühen Morgen ist die Kleinmachnower Tagespflegemutter auf den Beinen, aber noch hellwach. Ihre fünf Kinder, die sie zusätzlich zu den zwei eigenen betreut, sind am späten Nachmittag bereits wieder bei ihren Eltern. „Wir wollen so nicht behandelt werden, unsere Nerven liegen blank“, sagt die ausgebildete Tagesmutter und zeigt nach einigem Tippen auf die Anzeige ihres Taschenrechners: 37 Euro und 35 Cent, soviel hat Edda Ziegler heute nach Abzug aller Betriebskosten nach neun Stunden Arbeit verdient – ohne soziale Absicherung und immer auf eigenes Risiko. Edda Ziegler gehört zum Unternehmen „Tagesmutter“, auf das sich die Gemeinde Kleinmachnow als eine der kinderreichsten Kommunen Brandenburgs besonders verlässt.

Vor wenigen Wochen hat der Bundesrat das neue Kinderförderungsgesetz verabschiedet, das ab 2013 Kindern ab einem Jahr ein Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten oder bei einer Tagesmutter garantiert. Eigentlich Grund zur Hoffnung, denn festgeschrieben ist darin auch, dass Edda Zieglers Bezahlung steigen soll. Soviel ist sicher. Ebenso sicher ist aber auch, dass Ziegler und alle anderen Tagespfleger ab 1. Januar von ihrem Verdienst Steuern, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen müssen. Dies blieb ihnen bisher erspart, da viele Tagesmütter kostenfrei über ihren Ehemann familienversichert waren und sich bis jetzt steuerfrei in einer Grauzone bewegten. Nun soll sich das ändern und der Stundenlohn mit den Abzügen steigen. Das Problem: Um wie viel und wann Zieglers Lohn angepasst wird, weiß sie nicht, denn der Landkreis, der für die Finanzierung der Tagesmütter zuständig ist und deren Stundenlohn bestimmt, hat darüber noch nicht entschieden. „Eigentlich kann ich aufhören“, blickt Edda Ziegler auf ihren Taschenrechner. Denn was ihr von dem wenigen Geld noch bleiben soll, ist ihr nicht klar. Die studierte Bibliothekarin und nun ausgebildete Tagesmutter ist frustriert: „Ich würde mir zu Weihnachten wünschen, diese Existenzängste los zu sein.“

„Der Landkreis ist noch immer nicht in der Lage, den Tagespflegeeltern Klarheit über die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes zu verschaffen“, ist der FDP-Kreistagsabgeordnete Hans-Peter Goetz ernüchtert. In einer dringenden Anfrage hatte er beim Kreis um Stellungnahme gebeten – ohne Erfolg. „Wir sind nicht gerade glücklich, dass dieses wichtige Thema auf die lange Bank geschoben wird“, erklärt auch die SPD-Kreistagsabgeordnete und Kleinmachnower Gemeindevertreterin Nina Hille gegenüber den PNN. „Wir brauchen jetzt eine Lösung“, sagt Hille mit Blick auf die 29 Kleinmachnower Tagesmütter und -väter.

Als kinderreiche Kommune setzte Kleinmachnow bereits vor Jahren verstärkt auf die Tagespflege, statt Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren zu schaffen. Insgesamt sind rund 120 Kleinmachnower Kinder in der Tagespflege. Deshalb müsse auch die Gemeinde selbst einen Beitrag leisten, fordert der Kleinmachnower FDP-Vertreter Michael Lippoldt. Für ihn ist die Hinhaltetaktik ein Skandal: „Hier geht es um die berufliche Existenz der Tagesmütter.“ Wohin mit den Kindern, sollten sich die Tageseltern ihren Beruf ab 1. Januar nicht mehr leisten können?, fragt Lippoldt. Im September hatte seine Fraktion einen Antrag in die Gemeindevertretung eingebracht: Kleinmachnows Tageseltern sollten finanziell unterstützt werden. Bereits jetzt zahle die Gemeinde ihren Tagesmüttern für jedes Kleinmachnower Kind eine monatliche Pauschale von rund 30 Euro, betont derweil SPD-Politikerin Nina Hille. Wird die Tagesmutter krank, kann sie mit dem Geld ihre Vertretung bezahlen. Weitere Unterstützung könnte folgen, so Hille.

„So gesehen geht es uns hier im Vergleich zu anderen Kommunen schon gut“, sagt Edda Ziegler. Andere Tagesmütter müssten das Krankheitsrisiko selbst tragen. Dennoch reiche der freiwillige Zuschuss der Gemeinde für die künftigen Abzüge bei weitem nicht aus. „Wir sind doch nur die Muttis“, sagt Ziegler und ist vom Landkreis enttäuscht. Denn statt mit den Tagesmüttern zu sprechen, habe das Landratsamt einen erfolgreich arbeitenden runden Tisch zwischen Pflegeeltern und Verwaltung ins Leere laufen lassen. Seit einem halben Jahr gebe es keine Gesprächstermine mehr, erklärt Ziegler. Stattdessen bangen die Tagesmütter und -väter um ihre Zukunft.

Dabei sei, so ist sich Edda Ziegler sicher, die Betreuung der Kleinen bei einer Tagespflegemutter doch schön für alle Beteiligten. Die Kinder wären in familiären Gruppen untergebracht, die Eltern könnten sich mit der Tagespflege individuell abstimmen. „Das ist ein Luxus, der eigentlich besonders gut bezahlt werden müsste“, findet Tagesmutter Ziegler.