PNN 28.10.08

 

Kleinmachnow wird klimaneutral Pilotanlage für "Potsdamer Wunderkohle"

Potsdam - Das brandenburgische Kleinmachnow könnte schon bald die erste klimaneutrale Gemeinde Deutschlands werden. Dort nämlich wird von der Firma Carbon Solutions GmbH eine Pilotanlage zur Herstellung von Kohle und kohlehaltigen Produkten aus Biomasse gebaut. „Wenn sie im kommenden Frühjahr in Betrieb geht, werden die Kleinmachnower ihre Bioabfälle, Gras, Laub und Stroh direkt in Humus und Braunkohle umwandeln können“, sagte Professor Markus Antonietti, Direktor im Potsdamer Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung, am Montag in Potsdam in einem Gespräch mit der Bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm. Behm informierte sich im Institut über das von Antonietti entwickelte Verfahren der Hydrothermalen Carbonisierung („Wunderkohle“), das den in der Natur Jahrmillionen andauernden Prozess der Kohlebildung auf wenige Stunden verkürzt. Die Bioabfälle werden dabei unter Druck und Temperaturen ausgekocht – ein sogenannter exothermer Prozess, bei dem die Masse genügend Eigenenergie für die Verkohlung entwickelt.

Für die CO2-Bilanz ein doppelter Gewinn, denn der bei der Verrottung oder Kompostierung in die Atmosphäre entweichende Kohlenstoff wird in dem neuartigen Verfahren fast vollständig in der Kohle gebunden. Die wiederum ist vielfältig nutzbar, zum Beispiel als Dünger, um die Wasserbindungfähigkeit strapazierter Böden zu erhöhen. „So gibt es auch einen biologischen Mehrwert. Brachliegende Flächen können rekultiviert und mehr Nahrungsmittel produziert werden“, so Antonietti über den Nutzen nicht nur für die hiesige Landwirtschaft, sondern besonders für die Entwicklungsländer.

„Wir könnten in Deutschland 25 Prozent unserer CO2-Last loswerden, wenn wir unsere Bioabfälle verwerten würden. Weltweit können wir in der Bilanz sogar auf Null kommen“, sagt der Potsdamer Kolloidchemiker, der für seine Arbeit im August dieses Jahres den mit 2,5 Millionen Euro dotierten höchsten europäischen Forschungspreis „ERC Advanced Grant“ erhielt.

Läuft alles wie geplant, soll allein Kleinmachnow künftig zehntausend Tonnen Biomasse pro Jahr in Kohle verwandeln. Die für den Bau der Anlage zuständige Carbon Solutions GmbH arbeitet eng mit dem Potsdamer Wissenschaftlerteam zusammen und setzt deren Erkenntnisse wirtschaftlich und technisch um. „So schnell, wie ich es in meiner wissenschaftlichen Laufbahn bislang noch nicht erlebt habe“, sagt Antonietti. Ginge es nach ihm, könnte bald in jeder Gemeinde eine solche Anlage installiert werden. Die Anschaffungskosten für die vergleichsweise einfache Technik liegen voraussichtlich bei einer halben Million Euro. Behm, aktiv im Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, sieht hier neben der ökologischen auch die wirtschaftliche Komponente. Sie kündigte gestern an, sich für eine zügige Verbreitung des Verfahrens stark zu machen.