PNN 10.10.08

 



KulTOUR

Im Bannwald von Kleinnirgendwo

Frauke Gohlke schreibt Kindergeschichten mit Wiedererkennungswert

Von Gerold Paul

Kleinmachnow - Nirgendwo ist irgendwo, Kleinnirgendwo ist überall. Henriette Spinnenbein hatte am Zauberwald nicht mehr genug, sie wanderte aus und fand, im Bannwald von Kleinnirgendwo, ein neues Zuhause. Pinki, das Teufelchen, wurde ihr Freund, aber auch alle Tiere des Waldes, von Igel Socke bis zur Wildschweinin Hermine Rüssel. Unter den Menschen ist ihr Tine eine Freundin geworden. Als Kleine Bannwaldhexe fliegt sie nun mit ihrem Zauberbesen über dieses Kleinnirgendwo herum, neugierig, hilfsbereit, manchmal übermütig. Sie kann Dinge vergrößern und verkleinern, Unbelebtes gar lebendig machen.

Es ist ja auch eine Menge los in dem Nest, mal brechen wilde Schweine in einen Supermarkt ein, mal wird das verlassene Schloss Schnakenburg gefunden, darin das nette Gespenst Flöckchen haust, sogar die alte Orts-Tradition des Kindertheaters kann dank des philanthropischen Hexchens aufleben, nur für einen Abend. „Was, das glaubt keiner? Nun, dann solltet ihr mal die kleine Bannwaldhexe fragen, und die lügt nie!“

Die Kleinmachnower Autorin Frauke Gohlke hatte bereits ein Buch über dieses nette Geschöpf geschrieben. Von ihrer Familie und Freunden ermutigt, machte sie weiter. Die weitläufige Personage und die Wunderlichkeiten dieses Kleinnirgendwo sind ja für ein Etcetera geräumig genug, und jeder weiß schließlich auch vom langen Leben dieser Sippe. Am Mittwoch präsentierte sie in Kooperation mit dem örtlichen Kulturamt und der „Natura“-Buchhandlung (Exklusiv-Vertrieb) einen weiteren Band Geschichten. Sehr guter Besuch am Nachmittag, nur wäre es noch viel spannender gewesen, wenn manche jungen Mütter die Altersangabe Sechs bis Neun beachtet hätten.

Frauke Gohlke hat nicht nur eine anschauliche und überzeugende Art, ihre Geschichten aufzuschreiben, sie ist auch eine vorzügliche Vorleserin, alte Schule. Vielleicht wird sie der Leser in der geschichtenverliebten Oma wiedererkennen. Tine, von der „Steinwegschule“ gerade in die Ferien entlassen, ist ihre Enkelin, die ihr so gerne zuhört. Man darf davon ausgehen, dass die Autorin beim Dichten (so darf man das nennen) zuerst an ihre drei Enkeltöchter dachte, Charlotte, Luise und Nadine haben dieses hübsche Paperback sogar selber illustriert.

Fünfzehn Geschichten, eine so gut wie die andere, „Lokalkolorit“ zum Wiedererkennen, die Schnakenburg, das Schulmaskottchen Manni, das Freilichttheater neben der Schule – für den Einheimischen nahe, für einen Nordfriesen leicht auf sein Nirgendwo zu übertragen. Es gibt auch keinen Zweifel an der Gegenwart dieser Bannwald-Banner, ob Supermarkt, Drachenfest oder Schokoriegel, sie spielen alle „im Heute“. Halb sind sie Märchen, halb sind sie wahr. Da ist so einiges los. Mal lassen die beiden Wurzelzwerge Knick und Knack einen Walnussbaum aus dem Garten verschwinden, weil Theo und Konrad keine Lust hatten, sein Herbstlaub wegzuharken, mal muss Henriette einen zappelnden Tropfen vom Wasserhahn befreien, und sie erfährt aus seinem Mund von den Wundern der großen weiten Welt. Immer wieder erweist sich Henriette als „Nothelferin“, sogar zu Ostern oder beim Weihnachtsfest, wo sie einer Tanne das Leben erhält.

Wirklich gut für Kinder zu schreiben ist schwer genug, poetische Geschichten zu erfinden, noch schwerer, sogar im Irgendwo. Frauke Gohlke hat dieses seltene Talent. So liest man es in dem neuen Buch, denn die kleine Bannwaldhexe lügt ja nie, oder? „Na ja, nur manchmal mogelt sie ein wenig.“

Frauke Gohlke: „Hexengeschichten aus Kleinnirgendwo. Neues von der kleinen Bannwaldhexe“ Vertrieb über die Natura-Buchhandlung Kleinmachnow