PNN 04.09.08
Nach Kleinmachnow machen sie zunehmend auch Stahnsdorf
unsicher, da hat man noch keine Antwort
Von Kathrin Hedtke und Tobias Reichelt
Kleinmachnow /
Stahnsdorf - Jeden Tag mit Einbruch der Dämmerung fallen Wildschweine mit ihrem
Nachwuchs in Kleinmachnow ein, pflügen Beete um, suhlen sich auf dem
Sportplatz, durchwühlen Komposthaufen und randalieren auf dem Friedhof.
„Schweinmachnow“, titelte die Bildzeitung. Versuche, das Schwarzwild aus dem
Ort zu vertreiben, zeigen nun erste Erfolge. Dafür werden die Tiere zusehends
in der Nachbargemeinde Stahnsdorf gesichtet. Die hat bisher noch keine Antwort
auf die Plage gefunden.
Abschuss, lautete der Befehl vor einigen Wochen aus dem Kleinmachnower Rathaus.
Als letzte Möglichkeit sollten die alarmierten Jäger helfen. Mit einer
Sondererlaubnis dürfen sie die Tiere nun auch im Ort schießen. Jagdpächter Hans
Diwiszek hat sechs Jäger in Kleinmachnow im Einsatz: „Unsere Aufgabe ist es,
den Bestand so weit wie möglich zu reduzieren.“ Der Jagdpächter hat die Stadt
in vier Jagdbezirke eingeteilt. In ihrer Freizeit gehen die Hobby-Jäger auf
Patrouille. „Seit Juni haben wir 34 Sauen auf die Schwarte gelegt“, berichtet
der 81-Jährige. Zu ihrer eigenen Sicherheit tragen die Jäger Westen in grellem Orange
und ein Band am Hut. „Damit jeder sieht, dass wir keine Kriminellen sind“,
erklärt Diwiszek, der sich um das Wohl seiner Jäger sorgt. Sie seien bereits
als „Mörder“ beschimpft und verbal angegriffen worden.
Auf der Suche nach Futter seien
zahlreiche Wildschweine in Kleinmachnow fündig geworden, erklärt
Gemeindesprecherin Martina Bellack. In den gut gewässerten Gärten hätten sie
Knollen und Würmer gefunden. Vor einigen Wochen wurde eine Hotline
eingerichtet, pro Tag gehen vier bis fünf Hinweise ein. In einem Faltblatt wird
empfohlen, Komposthaufen nur in umzäunten Grundstücken anzulegen und abends
keine gelben Säcke auf die Straße zu stellen. Außerdem wird den Bürgern
geraten, einen mindestens 1,50 Meter hohen Zaun um ihren Garten zu ziehen. Im
Ernstfall sollten die Menschen „einen großen Bogen“ um die Wildschweine machen.
Viele Eltern hätten Angst um ihre Kinder, sagt Bellack. Auch der Jagdpächter
ist besorgt: „Schwarzwild ist wehrhaftes Wild.“ Wenn Bachen Angst um ihre
Frischlinge bekämen, könnten sie aggressiv werden. Zwei Hunde wurden in
Kleinmachnow schon tödlich verletzt, Menschen kamen bislang nicht zu Schaden.
Aber muss es erst soweit kommen, fragt die Stahnsdorferin Kerstin
Eichelbaum-Weil? Hinter ihrem Grundstück im Nachbarort hätten sich seit einiger
Zeit zwei Bachen mit ihren Frischlingen auf den Uppstallwiesen, angesiedelt.
Immer wieder wühlten sich die Sauen am helllichten Tag durch die Beete, sie
traue sich nicht mehr in ihren Garten. „In Kleinmachnow wird alles mögliche
getan und hier stellt sich das Ordnungsamt quer“, sagt die verzweifelte Mutter.
Hilfe wie vom Kleinmachnower Rathaus könne man in Stahnsdorf nicht erwarten.
„Die Wildschweine sind nicht gefährlich“, sei die Auskunft eines Stahnsdorfer
Ordnungsbeamten gewesen. Im Gegenteil, warnt Jagdpächter Diwiszek. Das
Schwarzwild habe seine Scheu verloren. Gerade für Kinder sei das gefährlich,
lautes Lachen oder Schreien könne die Tiere aufschrecken. Das mache die Jagd
innerorts nicht leichter. Weder Menschen noch Gegenstände dürften in die
Schusslinie geraten. Zudem ist eine Genehmigung notwendig. Die Anträge dafür
können in Kleinmachnow beim Ordnungsamt gestellt werden. Stahnsdorfer müssen
sich derweil direkt an die Jagdbehörde beim Landratsamt wenden. Anders als in
Kleinmachnow fallen für die Sondergenehmigung auch Kosten an.
Unlängst hat Diwiszek eine zweite Schweine-Falle in Kleinmachnow aufgestellt.
In die erste tappten bereits neun Frischlinge. Selbst dem Jagdpächter mit 40
Jahren Berufserfahrung fiel es schwer, die quiekenden Jungen zu erschießen.
„Ich bin kein Metzger“, betont Diwiszek, Wildhege sei sein Anliegen.