Potsdamer Neueste Nachrichten 14.02.08
Liebe zur Natur und alte Rituale – die Pfadfinderbewegung zieht ein in Kleinmachnow
Kleinmachnow - Es ist
früher Nachmittag und draußen regnet es in Strömen. „Mal sehen, wie viele bei
dem Wetter kommen“, sagt Matthias Meyr, Führer der Kleinmachnower
Pfadfindermeute, und blickt durchs Fenster. Seit November vergangenen Jahres
treffen sich die Wölflinge einmal in der Woche zum gemeinsamen Spielen, Singen
und Entdecken in einem Kellerraum der Evangelischen Kirchengemeinde. Regennass
stürmen die Wölflinge, so die offizielle Bezeichnung für Pfadfinder im Alter
von sechs bis elf Jahren, nach und nach durch die Tür. Auch einige Eltern
schlüpfen noch schnell ins Trockene. Ein flüchtiges „bis nachher“ ist alles,
was die jungen Pfadfinder ihnen zurufen, bevor sie sich ihren ehrenvollen
Aufgaben widmen.
Hektisch plappern kleine Kindermünder durcheinander. Gruppenleiter und Freunde
werden begrüßt, und es braucht einige Zeit, bis der 20-jährige Meyr die 14
Jungen und das bisher einzige Mädchen zur Ruhe bringen kann. Auf dem Boden
kniend beginnen die Pfadfinder mit ihrer Begrüßungszeremonie, die uralten
Ritualen nachempfunden ist. Mit ihren Fingern formen die Wölflinge kleine
Wolfsohren am Kopf und beginnen zu bellen – ganz so wie in Rudyard Kiplings
Geschichte des Dschungelbuchs beschrieben. Dessen Erzählung inspirierte später
den Begründer des Pfadfinder-Gedankens, Robert Baden-Powell, einen britischen
General, Anfang des 20. Jahrhunderts zu seinem Buch „Scouting for Boys“, das
noch heute als Fibel der Pfadfinder dient. Weltweit gehören mehr als 38
Millionen Kinder und Jugendliche der Erziehungsbewegung an, die in der ersten
Hälfte des vergangen Jahrhunderts ihren Siegeszug um die Welt antrat.
Weder konfessionelle Bindung, Rasse,
Bildungsgrad, Herkunft oder Geschlecht sollten die Pfadfinder in ihrer Arbeit
beeinflussen. Eine Revolution in Zeiten der Industrialisierung. Kinder sollten
lernen, Verantwortung zu übernehmen. 1907 startete Baden-Powell sein erstes
Pfadfinderlager. Davon ist auch die Kleinmachnower Meute nicht weit entfernt.
In einigen Wochen werden sie eine gemeinsame Reise unternehmen. Erst diese
Prüfung wird die jungen Wölflinge zu echten Pfadfindern machen, denn dann
werden ihnen die gelben Halstücher und der dazugehörige Ring verliehen, die zur
offiziellen Kluft gehören.
Dass die einheitliche Kleidung und die strenge Hierarchie in der Gruppe
militärisch anmuten könnte, weist Meuteführer Meyr zurück: „Wir haben uns in
Deutschland früh mit den Wandervögeln zusammengeschlossen“, sagt er
selbstbewusst, „das ist eine Jugendorganisation, die ihre Zeit musizierend in
der Natur verbringt“, mit Militär und Krieg habe das nichts zu tun. Es ist die
Liebe zur Natur, die sich in ihren Pfadfinderregeln wiederfindet. Dass diese
Regeln mehr als nur eine gute Tat am Tag bereithalten, machte die Meute für den
siebenjährigen Jonas interessant. Heute ist er zum ersten Mal bei den
Wölflingen und kann sich noch nicht richtig mit den merkwürdigen Ritualen
anfreunden – weinend liegt er in den Armen seines Vaters.
Freunde findet man in der Kleinmachnower Meute aber schnell, weiß auch der
siebenjährige Elias, der gerade noch von einem Kissen zum nächsten gesprungen
ist. „Schade nur, dass das Wetter so schlecht ist, sonst hätten wir nach
draußen gehen können“, ruft er Jonas zu. Ein paar ermunternde Sprüche und ein
gemeinsames Theaterspiel später, sieht man den Neuling strahlend durch die
Gegend tollen. Auch wenn Pfadfinder eigentlich in freier Natur in ihrem Element
sind, haben die Kleinmachnower Wölfe im kleinen Kellerraum zu tun.
Dass für Jonas eine gute Zeit bei den Wölflingen beginnt, davon ist Meyr
überzeugt. Pfadfinder bleibt man ein Leben lang, sagt er. Selbst ältere Herren
treffen sich noch Jahre nach ihren ersten Zeltlagern, unterstützen die Bewegung
mit Spenden oder leisten wertvolle Nachwuchsarbeit – auch hier in Kleinmachnow.
Louisa-Maria Giersberg