Potsdamer Neueste Nachrichten 28.11.07
Seit Jahren wollen die Gérard’schen Erben an Kleinmachnows Ortsgrenze bauen – die Pläne reifen, trotz vieler Bedenken
Kleinmachnow -
Gerhard Casperson wiederholt sich gern. Jedesmal, wenn der passionierte
Naturschützer am Ende des Zehlendorfer Damms am Übergang von Kleinmachnow nach
Berlin steht und den einstigen Mauerverlauf mit einer ausholenden Armbewegung
beschreibt, freut er sich: „Alles wieder zugewachsen.“ Als der Grenzstreifen
Ost und West teilte, war die Landschaft kahl. Inzwischen ist aus dem sandigen
Mauerstreifen eine blühende Landschaft geworden, über 100 verschiedenen
Pflanzenarten hat Casperson hier, im Buschgrabengebiet, dokumentiert.
Auch ein anderer Vorgang wiederholt sich regelmäßig: die Absicht der
Eigentümergemeinschaft Gérard, das Land am Buschgrabensee zu bebauen. Seit der
Wende bemühen sich die Gérard’schen Erben, die Pläne ihrer Vorfahren
umzusetzen, für die in den 1930er Jahren schon Baurecht bestand. Einige Flächen
sind damals bereits parzelliert worden. Krieg und deutsche Teilung verhinderten
eine weitere Bebauung am Buschgraben. Auch nach 1989 – in der Zeit, als sich
die Natur im Grenzstreifen ihren Lebensraum zurückholte – stießen die
Bebauungsabsichten auf Vorbehalte und Widerstände. Die gemeinsamen Landesplaner
von Berlin und Brandenburg definierten das Areal – entgegen dem Veto der
Gérard’schen Erben – als „Freiraum mit besonderen Schutzanspruch“. Die
Regionale Planungsgemeinschaft einigte sich mit der Gemeinde auf eine bestimmte
Anzahl neu zu schaffender Wohneinheiten – und schloss dabei den Grünzug an der
Stadtgrenze zu Berlin als potenzielles Bauland aus. Schließlich versagte 1999
das damalige Landesamt für Bauen die Genehmigung, in diesem Bereich Wohnbauland
zu entwickeln. Daraufhin wurden im gemeindlichen Flächennutzungsplan (FNP) die
Flächen als „unbeplant“ dargestellt.
Das soll sich jetzt ändern. Heute und
morgen sollen der Umwelt- sowie der Bauausschuss über eine Änderung der
entsprechenden Passage im FNP beraten und nach dem Willen der Gemeindeverwaltung
auch empfehlen. Die Gemeindevertreter sollen sich Ende Dezember dieser
Empfehlung anschließen. Mit der Änderung soll der Weg freigemacht werden für 53
Einfamilienhäuser, die auf beiden Seiten des Buschgrabens auf 800 bis 1000
Quadratmeter großen Grundstücken entstehen sollen.
Überraschend kommt der vermeintliche Sinneswandel nicht. Zum einen haben die
Erben ihre Pläne trotz der aufgebauten Hürden nie aufgegeben. „Wir verfolgen
sie seit 17 Jahren mit großer Ausdauer und ohne zu drängeln“, betont Alexander
Gérard gegenüber den PNN. Zum anderen war man in Kleinmachnow immer geteilter
Meinung, ob die Grünzone bebaut werden soll. Einen „Bedarf an qualitätsvollen
durchgrünten Wohnbaugebieten“ artikuliert etwa das Bauamt. Auch innerhalb des
Ortsparlamentes gibt es Fürsprecher für die Bebauungsabsichten.
Aber es gibt auch Gegner. In vorderster Front: Gerhard Casperson. Als
Vorsitzender des Fördervereins „Buschgraben/Bäketal“ kämpft er vehement gegen
die Absicht, dass der „letzte verbliebene Freiraum in Kleinmachnow“ bebaut
wird. Und reflexartig zitiert Casperson die Argumente der Landes- und
Regionalplanung, die eine Bebauung ablehnen. Tatsächlich haben die beiden
Planungsabteilungen im Rahmen einer frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit
ihre Ablehnung zu der Änderung des FNP bekräftigt. Die Landesplaner sehen nach
wie vor in den Bauplänen einen Widerspruch zum „derzeit geltenden Ziel“, das
Gebiet als Freiraum zu gestalten. Ähnlich sehen es die Regionalplaner.
Allenthalben 18 Grundstücke am „Wolfswerder“ und „Am Rund“ könnten bebaut
werden, da sie bereits parzelliert sind. Ein Kompromiss, den sich auch
SPD-Gemeindevertreter Jens Klocksin vorstellen kann. Ansonsten sehe er
ausreichend Wohnbauland in Kleinmachnow, so dass man den Außenbereich unberührt
lassen könne.
Für das gemeindliche Bauamt sind diese Einwände kein Grund, die beabsichtigte
FNP-Änderung abzukehren. Denn: Der Regionalplan wurde bereits vor Jahren
aufgrund eines Formfehlers – er wurde nicht ordnungsgemäß öffentlich gemacht –
für unwirksam erklärt „Er ist nicht beachtenspflichtig“, urteilt man im
Kleinmachnower Rathaus. Und für die gemeinsame Landesplanung wird an einem
neuen Entwurf gearbeitet, in dem die Gemeinde Kleinmachnow ihre Interessen –
auch für das Buschgrabengebiet – neu einbringen und definieren will. „Mit einer
Ablehnung ist nicht zu rechnen“, so die Firma IUS, die die Gemeinde in
Umweltfragen berät.
Für Matthias Schmitt-Gallasch, Sprecher der Ortsgruppe des Bundes für Umwelt
und Natur (BUND), ist es „ein starkes Stück, dass die Gemeinde die Bedenken für
nicht relevant hält.“ Zudem sei die verkehrliche Erschließung nicht gesichert.
Bislang sieht Jens Klocksin den Verkehr in das neue Viertel lediglich über die
Straße Wolfswerder rollen. Alexander Gérard beschwichtigt: „Es ist natürlich
Ziel, den Verkehr gleichmäßig zu verteilen.“ Konkret werde dies in der
verbindlichen Bauleitplanung geklärt.
Gemeindevertreter und BUND-Mitglied Klocksin stellt die nicht unberechtigte
Frage, ob man über fremdes Eigentum überhaupt derart kritisch befinden sollte.
Er meint schließlich ja. Das mögliche Bauland am Buschgraben stelle lediglich
20 Prozent des Gérard’schen Eigentums da, so dass es „kein gravierender
wirtschaftlicher Schaden“ wäre, bliebe es unbebaut. „Daher sollte man mit
Augenmaß die überörtlichen Belange abwägen“, meint Klocksin. Doch ist der
Gérard’sche Plan kein Einzelfall. Auf einer Informationsveranstaltung vor
einigen Wochen erinnerte ein Gast aus München, dass „schon vor dem Krieg ein
Bauplan für parzellierte Flächen bestand“. Auch er sei Eigentümer eines
Grundstücks am Buschgraben, wolle endlich bauen und würde sich über eine
FNP-Änderung freuen.