Potsdamer Neueste Nachrichten 13.10.07

 

"Mädchen pinkeln nie in den Spielsand"

Ein Kleinmachnower Kinderspielplatz verkommt zum Treff jugendlicher Alkoholexzesse

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - „Rathausmarkt in Kinderhand“ stand auf der Einladung. Zum „großen Kinderfest“ hatte die Gemeinde Anfang September ins Kleinmachnower Ortszentrum eingeladen – mit vielen „kind- und familiengerechten Attraktionen“. In unmittelbarer Nachbarschaft des Rathausmarktes würde man sich freuen, wenn die demonstrierte Kinderfreundlichkeit etwas mehr Nachhalt bekäme und sich nicht nur auf einen Nachmittag beschränken würde. Hier, am Arnold-Schönberg-Ring, eines jener neuen Wohngebiete, mit dem Berliner raus ins Grüne lockt, zeigt sich hinter der schmucken Kleinmachnower Fassade ein anderes Bild.

Der „Mariannenplatz von Kleinmachnow“ wird das ursprünglich als Spielplatz angelegte Areal genannt: Dreck, Müll, leere Schnapsflaschen, Kondome, Tampons sind die beständigen Hinterlassenschaften von Jugendlichen, die den Platz seit Monaten zu ihrem Treffpunkt machen. Vor drei Jahren wurde der Spielplatz von einem Landschaftsplaner konzipierten, viel übrig geblieben ist nicht von der viel gelobten Anlage, die für Kinder bis zu zwölf Jahren gedacht ist. Die Spielgeräte und Sitzbänke sind beschmiert oder zerstört. Der Sandkasten ist zum Urinal verkommen. Nächtliche Alkoholexzesse und Koma-Saufen sind Regelmäßiges Programm, glaubt man den Klagen der Anwohner. Vor etwa einem Jahr mussten sie einen Notarzt rufen, nachdem sie einen 15-Jährigen völlig betrunken fanden, der neben seinem Erbrochenen lag und sich eingenässt hatte. Inzwischen hätte bereits die jüngere Generation Anschluss an die Gruppe gefunden. So berichten Anwohner von einem 12-Jährigen Mädchen, das bis zum Sommer noch zur Grundschule ging und „nun Wodka aus der Flasche trinkt“. Ihr gleichaltriger Begleiter trinke indes lieber Bier – „dafür aber viel“.

Suchten die Anwohner anfangs noch das Gespräch mit den Jugendlichen, ist die Grenze des Erträglichen inzwischen längst überschritten. Ihre Häuser werden mit Tomaten und Eiern beworfen. Geduld und Verständnis sind erschöpft. Die Anwohner wollen, dass der Spielplatz komplett verschwindet. Die Kinder in ihrem Viertel würden ohnehin im eigenen Vorgarten spielen. Und Anstand und Moral bringe man den Jugendlichen gewiss nicht auf dem Spielplatz bei. In ihren Schreiben an Bürgermeister, Ordnungsamt und Gemeindevertreter haben sie jegliche Zurückhaltung aufgegeben: Ohne Scham und Scheu schreiben sie, wie sie von den Jugendlichen in übler Vulgär- und Ordinärsprache beleidigt und beschimpft werden. Nur mit einem geringen Grad an Erleichterung berichten sie von ihrer Beobachtung, dass zumindest „Mädchen niemals in den Spielsand pinkeln“.

Resigniert nehmen die Anwohner zur Kenntnis, dass sich Gemeinde und Polizei darüber streiten, wer zuständig ist. Mehr noch: Als eine Anwohnerin wegen des nächtlichen Lärms einmal mehr auf der zuständigen Polizeiwache Teltow anrief, habe sich der Diensthabende nur wenig alarmiert gezeigt. „Es kotze ihn an“, so zitiert sie den Beamten, „dass ich zwei- bis dreimal die Woche grundlos anrufe. Die Jugendlichen sind freie Bürger und tun nichts Unrechtmäßiges.“ Auch das gemeindliche Ordnungsamt greife nicht so ein, wie es die Anwohner erwartet hatten. Er hoffe, so schrieb der Amtsleiter vor einigen Tagen zurück, „dass sich das leidige Problem durch die kommende kühle Witterung zumindest einstweilen erledigen wird.“

Inzwischen ist der Spielplatz zum Politikum geworden. Im jüngsten Ortsparlament stand das Problem auf Tagesordnung, ebenso im letzten Sozialausschuss. „Doch verlief sich die Diskussion schnell ins Allgemeine“, gesteht Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD). Er selbst sei sehr nachdenklich geworden – vor allem nach den Gesprächen, die er inzwischen mit den Jugendlichen geführt habe. Bei einigen erkenne er Vernachlässigung, weil Eltern ihren Kindern 300 Euro Taschengeld geben und meinten, dadurch ihre Pflicht getan zu haben. Andere kämen aus sozial schwachen Familien, sie seien desillusioniert und bereits suchtgefährdet. Freimütig räumt Blasig ein: „Ich bin kein ausgebildeter Sozialarbeiter.“ Doch „sollte eine gut ausgestattete Kommune wie Kleinmachnow es sich leisten, Modelle und Erfahrungen zu entwickeln, von denen andere profitieren können“. Es reiche nicht aus, erstklassige Schulen zu haben, so Blasig. Wenn Kleinmachnow familienfreundlich und „auch etwas elitär“ sein will, „darf man nicht da aufhören, wo es weh tut.“ In dem Maßnahmekatalog, den der Bürgermeister jetzt angekündigt hat, nennt er neben einem besserem Austausch zwischen Polizei und Ordnungsamt auch mehr Sozialarbeit in den Schulen, um dort frühzeitig Einfluss zu nehmen. Für die Schulen in kommunaler Trägerschaft müsse sich die Gemeinde überlegen, nicht nur Fach- sondern auch Sozialpädagogen einzusetzen. „Es darf kein Makel einer Schule sein, wenn dort Sozialarbeiter tätig sind.“

Für einige Neu-Kleinmachnower im Arnold-Schönberg-Ring könnten diese Einsicht und der Tatendrang zu spät kommen. Sie überlegen, zurück nach Berlin zu ziehen.