Potsdamer Neueste Nachrichten 02.05.07

Speckgürtel speckt ab

Rund 6000 Zuzügler weniger aus Berlin / Teltow ist die Ausnahme: Junge Hauptstädter ziehen dort hin

Teltow - Immer weniger Berliner ziehen in den Speckgürtel. Nach Angaben des Landes Brandenburg ist der Zuzug der Bundeshauptstädter „stark rückläufig“. Suchten im Jahr 2000 noch über 33 000 Menschen aus der Hauptstadt im Berliner Umland ein neues Zuhause, waren es 2005 nicht einmal mehr 27 000. Ein Trend, der sich auch im Landkreis Potsdam-Mittelmark fortsetzt: Im Jahr 2004 zogen 3064 Berliner nach Potsdam-Mittelmark, im vergangenen Jahr waren es nur noch 2484.

Trotzdem ziehen weiterhin so viele Menschen in den Landkreis,dass die Bevölkerungszahl in Potsdam-Mittelmark bis zum Jahr 2020 steigen wird, so die Prognose des Landes. Zudem wollen nicht nur Berliner im Umland leben, sondern beispielsweise auch jeder dritte Potsdamer, der die Landeshauptstadt verlässt. Der Landkreis Potsdam-Mittelmark wird 2020 rund 7000 neue Einwohner haben, sagt Harald Knauer, Geschäftsführer der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland, auf PNN-Anfrage. Besonders die Generation der „Häuslebauer“, also der zwischen 30-und 50-Jährigen, zieht es in die Region mit preiswerten Grundstückspreisen und Platz für 60 000 zusätzliche Einwohner, so Knauer.

Ein anderer Trend bleibt: Ähnlich wie in ganz Brandenburg wird es auch im Landkreis immer weniger junge Menschen geben, so die Prognose. Bis 2030 werden nur noch halb so viele Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren im Brandenburg leben wie heute. Auf dem 1. Teltower Wirtschaftstreff warnte Arbeitsministeriumssprecher Swen Hildebrandt bereits vor dem Fachkräftemangel. Denn die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 bis 65 Jahren wird insgesamt sinken – um 30,5 Prozent.

Offenbar reagiert die Wirtschaft zu langsam darauf: Noch finden junge Mittelmärker kaum Lehrstellen. Laut Arbeitsagentur haben derzeit von 981 der Behörde gemeldeten Bewerbern aus dem Landkreis nur 185 einen Ausbildungsplatz in Aussicht. Derweil ziehen mehr mittelmärkische Jugendliche zwischen 18 und 30 Jahren nach Berlin als junge Berliner nach Potsdam-Mittelmark: Jährlich verlassen ungefähr zwischen 600 und 650 Jugendliche den Landkreis, um in der Bundeshauptstadt zu leben. Dagegen zogen in den vergangenen drei Jahren nur zwischen 417 und 465 Berliner dieser Altersgruppe in den Landkreis.

Teltow bildet da die Ausnahme: Zwar zogen auch dort 2006 nur noch 627 Berliner hin – 120 Menschen und knapp 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Doch ziehen dorthin nach wie vor jedes Jahr um die 120 Jugendliche aus der Bundeshauptstadt. Das sind im Schnitt rund 20 Menschen zwischen 18 und 30 Jahren mehr, als aus Teltow nach Berlin ziehen. Doch warum entscheiden sich gerade junge Menschen für Teltow? Denn auch hier herrscht Lehrstellenmangel.

Nach Knauers „Erklärungsversuch“ lockt sie der preiswerte Wohnraum in die 20 000-Einwohner-Stadt. Dort gebe es ein „breites Segment“ an kleinen und großen Mietwohnungen zwischen 4,50 und 8 Euro pro Quadratmeter. Teltow sei attraktiv, weil alle vorhandenen Wohnungen saniert worden sind, so Knauer. Gerade für Menschen in der „Haushaltsgründungsphase“ sei der Teltower Wohnraum interessant, glaubt Knauer: „Der wird von Berlinern nachgefragt, die sparen hier gegenüber Wilmersdorf.“

Die Nachteile einer Kleinstadt mit wenig Kultur, Gastronomie und beschränkten Ausbildungschancen nehmen sie dafür in Kauf. Denn mit S-Bahn und Bus sind sie in einer halben Stunde in Berlin oder Potsdam. Darin sieht auch Teltows Wirtschaftsbeauftragte Anne Böttcher den Vorteil der Stadt. Aber es müsse sich einiges ändern, damit die Menschen sich auf Dauer wohl fühlen.