Potsdamer Neueste Nachrichten 13.02.07


Oma allein zuhaus

Wie wohnen im Alter, ist eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart. In Kleinmachnow beginnt man, nach Antworten zu suchen

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Marie würde gern in diesem oder im nächsten Jahr „gemeinsam mit interessierten Leuten ein Haus im Land Brandenburg kaufen, um es dann gemeinsam herzurichten. Vielleicht ein paar Tiere. Gern auch generationsübergreifend“. Marie ist 57. Susanne und Michael Koßmann „möchten in Zukunft im Großraum Berlin generationenübergreifend in einem Wohnprojekt leben“ und sich „aktiv einbinden“. Sie ist 51, er 62.

Die beiden Annoncen finden sich auf der Internetseite des „Forums Gemeinschaftliches Wohnen“ – einem bundesweiter Zusammenschluss von Vereinen und Gruppen, die gemeinschaftliche, generationsübergreifende Wohnformen bekannt machen, Wohnprojekte initiieren und verwirklichen. Es sind keine Einzelbeispiele. Immer mehr Menschen machen sich Gedanken, wo und wie sie im Alter leben möchten. Fakt ist: Kaum einer will ins Heim. Nur 20 Prozent der über 90-jährigen Deutschen leben in Heimen, stellte der Altenbericht der Bundesregierung 2005 fest. Die meisten leben in ihrer eigenen Wohnung, doch die wenigsten sind alten- und behindertengerecht ausgestattet.

In Kleinmachnow mahnt Gemeindevertreter Hubert Faensen schon seit Jahren ein Konzept für altergerechtes Wohnen an. Lange stieß er auf taube Ohren, bis schließlich das Ortsparlament Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) beauftragte, eine Studie erstellen zu lassen. Antworten werden bald gebraucht. 6570 über 60-Jährige wohnen derzeit im Ort, „wir müssen davon ausgehen, dass in naher Zukunft ein steigender Bedarf an barrierefreien und altengerechten Wohnungen in entsprechendem Umfeld zu decken ist“, meint Michael Küssner.Der Architekt hat sich im Auftrag der Gemeinde mit der Frage des Wohnens im Alter beschäftigt. Der demografische Wandel wird auch Kleinmachnow, heute eine der kinderreichsten Gemeinden Deutschland, einholen: In gut 25 Jahren werden in der Gemeinde 12 000 über 60-Jährige leben. Zur Zeit verfügt die GeWoG als kommunale Wohnungsbaugesellschaft über 27 barrierefreie Wohnungen, was dem künftigen Bedarf wohl kaum genügen wird. Auch das Wohnstift Augustinum, Seniorenresidenz am Erlenweg, ist wegen seiner Exklusivität nur für wenige eine Antwort, wo sie ihren Lebensabend verbringen wollen.

Küssners Überlegungen sind lediglich ein Anfang. „Zu allgemein“, bedauert WIR–Gemeindevertreter John Banhart, sei die Studie. Der Bezug zu Kleinmachnow sei „äußerst dürftig“, lediglich mögliche Standorte listet Küssner konkret für den Ort auf. Angaben über mögliche Betreiberkonzepte oder Kosten für die Gemeinde fehlen. Küssner ist sich bewusst, dass seine Arbeit Fragen offen lässt. Sein Ziel sei es, ein „Problembewusstsein“ zu schaffen. Das ist offenbar nötig. So beklagt der Teltower Tischlermeister Hartmut Eichelbaum, der sich auf den Ausbau barrierefreier Wohnungen spezialisiert, die mangelnde Bereitschaft in Kommunen und Behörden, sich Gedanken zu machen, wie Ältere wohnen. Als sich Eichelbaum im vergangenen Jahr im Auftrag der Akademie „2. Lebenshälfte“ mit der Frage auseinandersetzte, wie gut Potsdam-Mittelmark unterwegs ist zu einem „seniorenfreundlichen Landkreis“, bekam er aus den Kommunen wenig Rückmeldung. „Aus Kleinmachnow gar keine.“

Zumindest animiert Küssner mit seinem aufgezeigten Spektrum der Wohnmöglichkeiten im Alter zu einem Nachdenken, was in Kleinmachnow sinnvoll und machbar wäre. Barrierefreies oder betreutes Wohnen, betreutes Wohnen zu Hause, selbst organisierte Wohn- oder Haus- sowie Siedlungsgemeinschaften, Mehrgenerationenhäuser, Altendörfer, betreute Wohngemeinschaften, Altenstifte – die Palette der Formen und Möglichkeiten ist groß. Für einige Formen hat der Architekt bauliche Vorschläge skizziert. „Eigene Haustür - gemeinsames Dach“, nennt er die Idee gemeinschaftlichen Wohnen zweier Generationen, bei der die Individualität gewahrt bleibt, Betreuung dennoch möglich ist. In einem Mehrgenerationenhaus bringt er in zwei Wohneinheiten eine Großfamilie unter.

Orientierung, was und vor allem wo gabaut werden kann, bietet eine Umfrage des Instituts für angewandte Verbraucherforschung, wonach sich ältere Menschen vor allem eine ruhige Wohnlage, Nähe zu Arztpraxen, Apotheken und Geschäften, ein grünes Umfeld und eine gute Verkehrsanbindung wünschen. Das Kleinmachnower Ortszentrum am Rathausmarkt bietet sich für Küssner nach diesen Kritierien als ein Standort an.

Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) will nach Küssners Überlegungen nun die gemeindeeigene Wohnungsbaugesellschaft GeWoG beauftragen, für Kleinmachnow passende Modelle zu entwickeln und Fördermöglichkeiten zu prüfen. Allerdings dürfte es schwer fallen, die GeWoG zu motivieren. Schon einmal, beim Bau des Rathausmarktes, hat das Unternehmen in alters- und behindertengerechten Wohnungsbau investiert – die Gemeinde förderte die Maßnahme mit 1,57 Millionen Euro. Die Nachfrage blieb zunächst aus. Vor allem Gemeindevertreter der CDU monierten eine falsche Einschätzung des Bedarfs, eine zu hohe Miete für die angesprochene Klientel und keine altergerechte Qualität der Wohnungen. „Das Projekt ist gescheitert“, hieß es vor drei Jahren – die GeWoG musste eine halbe Million Euro an die Gemeinde zurückzahlen. Ein Jahr später waren alle 57 Wohnungen vermietet.