Potsdamer Neueste Nachrichten 24.01.07


Von der Mole in die Welt

Innenminister Jörg Schönbohm erklärt am Weinberg-Gymnasium die Europäische Union

Kleinmachnow - Bei der letzten Wahl fürs EU-Parlament machten nur rund 30 Prozent der Brandenburger ihr Kreuz. Ein Zeichen dafür, dass diese Wahl nur wenige Bürger ernst nehmen würden, konstatierte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bei seinem gestrigen Besuch im Weinberg-Gymnasium Kleinmachnow.

Der Innenminister war gestern einer von zahlreichen Staatsreferenten, die in Schulen für die Europäische Union warben. Kanzlerin Angela Merkel hatte, ganz in Verantwortung der in diesem jahr von Deutschland übernommenen EU-Ratspräsidentschaft, zu der Aktion aufgerufen. Jungen Leuten sollen so die oftmals schwer durchschaubaren Vorgänge in Brüssel näher gebracht werden. Schönbohm begann mit einem Diskurs über die Geschichte der EU, die mit sechs Mitgliedsstaaten in einerEuropäische Wirtschaftsgemeinschaft begann. Damals habe die Bundesrepublik noch am Rande dieser Gemeinschaft gelegen, seit der Osterweiterung ist Deutschland in die Mitte gerückt. Als Raum der Freiheit, des Rechtes und der Sicherheit, definierte er die Union. Vieles sei heute durch gemeinsame Standards einfach und kompatibel. Frührer, so erinnerte sich Schönbohm, brauchte man Eurostecker und viel Zeit, wenn man ein Ferngespräch plante. So habe er sich während eines Italienaufenthaltes morgens um 7 Uhr auf dem Postamt einfinden müssen, um zwei Stunden später mit seiner Familie in Deutschland telefonieren zu können. „Heute steht man an der Mole und kann über Handy problemlos in alle Welt telefonieren.“

Doch müssten regionale Unterschiede auch weiterhin respektiert werden. „Wir sind ein Kontinent in der Vielfalt“, betonteder Minister. Andererseits heben Landesgrenzen regionale Eigenarten und Synergien nicht auf. So würden sich Norditalien, Österreich und Bayern viel eher als regionaler Wirtschaftsraum begreifen könnten als Berlin und Bayern.

Das Verhältnis zu Polen habe sich seit der Grenzöffnung gut entwickelt, meinte der Minister. Der Wegfall des innerstaatlichen Grenzsystems biete aber nicht nur Touristen Vorteile, sondern auch Kriminellen. Unter der neuen deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird es daher zu einem zwischenstaatlichen Vertrag zum Datenaustausch der Polizeidienste kommen. Ziel sei es vor allem, durch besseren Datenaustausch etwa von DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugdaten mehr Sicherheit in Europa zu schaffen.

Sein Verhältnis zur Türkei, bezeichnete Schönbohm als emotional, da ein Bruder von ihm seit fünf Jahren in Ankara lebe und arbeite. Er nenne ihn den Schönbohm-Türken, der für den EU-Beitritt plädiere, weil er meine, das Land brauche Perspektiven. „Aber ich bin gegen einen EU-Beitritt der Türkei“, stellte der Minister klar. Fest machte er das besonders daran, dass es im Gegensatz zu anderen in die EU aufgenommenen Ländern mit der Türkei keine gemeinsame Geschichte gebe. Auch das Entwicklungsniveau der türkischen Landwirtschaft halte er für bedenklich. Bei einem solchen Beitritt könnte sich die EU wohlmöglich übernehmen.

Schönbohms Stunde war Auftakt des gestrigen Europatages am Weinberg-Gymnasium. Alle Klassen und Kurse für Geografie und Politische Bildung waren aufgerufen, zu jeweils einem Land der EU eine Schautafel anzufertigen, auf der die Geschichte, Geografie, Politik, überhaupt die Lebensweise der Menschen dargestellt werden soll. Alle 27 Poster bilden eine Ausstellung, die – auch künftigen Wähler – über die die EU aufklärt.

Kirsten Graulich