Potsdamer Neueste Nachrichten 28.12.06
Kein Rechtsfrieden
Jüngstes Urteil im Sommerfeld-Prozess stärkt Position der Grundstücksnutzer
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Michael Blunert, Chef der
Mietervereinigung „Der Teltow“ kann eine gewisse Freude nicht verhehlen.
„Psychologisch ist es wichtig, dass Meyer eine Niederlage kassiert hat.“
Tatsächlich hat das jüngste Urteil im Streit um ehemals jüdisches Eigentum in
der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung den an sich siegesgewissen und
angriffsfreudigen Berliner Unternehmer Christian Meyer überrascht. Die Richter
am Leipziger Bundesverwaltunggericht lehnten in diesen Tagen die Restitution
eines Grundstücks ab, das vor 1933 dem jüdischen Bauunternehmer Adolf
Sommerfeld gehörte. Das Urteil gilt als richtungsweisend für zahlreiche
vergleichbare Fälle.
Über die wirkliche Tragweite des Richterspruchs gehen die Meinungen
auseinander. Während der mit der Materie gut vertraute Potsdamer Anwalt
Thorsten Purps von 385 ähnlichen Fällen spricht, geht Meyer von lediglich 40
weiteren Urteilen aus, die zu seinen Ungunsten entschieden werden könnten.
Die Akte „Sommerfeld“ beinhaltet einen
der größten Vermögensrechtsstreite Deutschlands. Ursprünglich ging es um 1000
Grundstücke, für die nach der Wende die Conference of Jewish Material Claims against
Germany (JCC) die Rückübertragung beantragte. Einen Teil der Ansprüche – die um
das einstige Betriebsvermögen von Sommerfeld – trat die JCC an Meyer ab. Als
Treuhänder der Sommerfeld-Erben, mit denen er eine finanzielle Vereinbarung
hat, kämpft er seit nunmehr zehn Jahren um jene Grundstücke, die bis zum
Frühjahr 1933 der Sommerfeldschen Siedlungsgesellschaft gehörten. Deren
Unternehmenszweck war die Parzellierung und Verkauf von Grundstücken. Man kann
davon ausgehen, dass Sommerfeld unter dem zunehmenden Verfolgungsdruck der
Nationalsozialisten – nach einem Überfall floh er im April 1933 nach Paris –
sein Vermögen verkaufte. Die strittige Frage ist: Konnte er zu einem
angemessenen Preis verkaufen und über diesen auch frei verfügen? 40 Prozent des
Grundvermögens seiner Firma trat Sommerfeld an eine Bank ab – der gezahlte
Preis lag im Bereich des Üblichen, der Architekt hatte auch keine Probleme, das
Geld zu bekommen. Die restlichen 60 Prozent wurden im März 1933 auf die
Deutsche Land- und Baugesellschaft mbH (DLB), eine von Nazi- und SS-Größen
geführte Firma, übertragen und kurz danach vollständig arisiert. „Hier konnte
Sommerfeld definitiv nicht über den Kaufpreis verfügen, denn drei Wochen später
ist er geflohen,“ so Meyer.
Doch die Richter sahen das anders. Sommerfeld hätte schließlich die Möglichkeit
gehabt, sein gesamtes Betriebsvermögen – und nicht nur 40 Prozent – einer Bank
zu verkaufen, weshalb die freie Verfügbarkeit gegeben gewesen sei. Meyer hält
diese Begründung für völlig unzureichend. Für den Zeitraum zwischen 1933 und
1945 gilt die so genannte Entziehungsvermutung, d.h. Gerichte müssen letztlich
nachweisen, ob der Preis für jüdische Vermögenswerte angemessen und die freie
Verfügbarkeit gegeben war. Für Meyer weisen die Bundesrichter lediglich die
Möglichkeit nach, aber nicht, ob es faktisch so war.
Das Urteil stärkt die Position der heutigen Grundstücksnutzer in den
betroffenen Straßenzügen und lässt sie zunächst aufatmen. Ob sie die längst
fälligen Investitionen und Reparaturen an ihren Häusern vornehmen, Dächer neu
decken, Fenster austauschen, neue Heizungen installieren, bleibt dennoch
fraglich. Bislang war es schwierig, von den Banken Kredite zu bekommen, solange
die Frage nicht endgültig und rechtskräftig beantwortet ist, wem Grund und
Boden nun tatsächlich gehören. Und da sich Geschäftsmann Meyer nicht so schnell
geschlagen gibt, kann von Rechtsfrieden auch nach dem Urteilsspruch noch keine
Rede sein. Er wolle sich zunächst die Urteilsbegründung genau durchlesen, zum
anderen sei in den weiteren Verfahren jeder Fall einzeln zu prüfen. Doch gibt
er zu, dass für Grundstücke, die in diese spezielle Verkaufsperiode fallen, ein
„hohes Maß an Gleichheit“ zu erwarten sei.
Zudem ist für Meyer eine ganz andere Frage von entscheidender Bedeutung: Ist
das deutsche Vermögensrecht verfassungswidrig? Im Gegensatz zu anderen
Unternehmen, die im Dritten Reich geschädigt wurden, haben solche Firmen keinen
Anspruch auf Rückübertragung, deren Zweck die Parzellierung und der Verkauf von
Grundstücken war. Meyer und sein Anwalt Stefan Minden, einer der profiliertesten
Vertreter auf diesem Gebiet, sehen in diesem Passus einen Verstoß gegen das
Gleichheitsgebot im Grundgesetz. Ihr Vorstoß, diese Frage am Leipziger
Bundesverwaltungsgericht zu klären, hatte Erfolg. Der Richterspruch wird
Auswirkungen auf mehrere hundert Verfahren haben. Und Meyer ist bereit – im
Falle einer Niederlage – bis zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu
gehen, um Klarheit zu bekommen. „Das wird hochinteressant“, sagt er.
Die Hoffnung von Mieterbund-Chef Blunert, das jüngste Urteil würde Meyer
hindern, selbst die Karlruher Instanz zu bemühen, scheint sich nicht zu
erfüllen.