Potsdamer Neueste Nachrichten 06.12.06

"Der Ausbau ist zwingend"

Neue Ansiedlungen in Berlin wie der Bau eines Heizkraftwerks verlangen Antworten nach der Zukunft des Teltowkanals und der Machnower Schleuse

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Auch wenn es derzeit lediglich Reparaturarbeiten sind, die die Gegner eines Ausbaus der Kleinmachnower Schleuse wiederholt in Alarmbereitschaft versetzte und vor dem Beginn einer vermeintlich unnützen Millionen-Investition warnen ließ: Die Frage nach der Leistungsfähigkeit von Schleuse und Teltowkanal wird früher oder später wieder auf der Tagesordnung stehen. Das liegt allein in der Natur des Kanals, der vor 100 Jahren als Transportweg geschaffen wurde und die Industrialisierung und den wirtschaftlichen Aufschwung der Region und Berlins maßgeblich beeinflusste.

Seine Funktion als Güterverkehrsweg hat der Teltowkanal noch immer. Befürworter eines Ausbaus – wie die Binnenschifffahrt – sehen seine Leistungsfähigkeit unter Wert, da sein Zustand nur eine geringe Abladetiefe zulässt. Gegner eines Ausbaus, wie er von der Bundesregierung im Rahmen des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 17 seit langem geplant ist, befürchten irreparable Eingriffe in Natur und Landschaft; sie bezweifeln die Notwendigkeit einer 190 Meter großen Schleuse und eines so groß ausgebauten Kanals, dass Großmotorgüterschiffe und 180 Meter lange Schubverbände passieren können.

Neue Ansiedlungspläne und Investitionen in Berlin werden das Für und Wider kurzfristig neu beleben.

Allein durch den Wettbewerb auf dem Strommarkt erwartet Frank Brachvogel vom Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) Milliarden-Investitionen. Nach einer aktuellen VDEW-Umfrage plant die Branche deutschlandweit 53 neue Kraftwerke, darunter zwei in Berlin. Barbara Meisert, Sprecherin von Vattenfall Europe, bestätigt Überlegungen für ein 800-Megawatt-Steinkohlekraftwerk in der Hauptstadt. Mögliche Standorte: Spandau und Klingenberg in Mitte. „Wir sind ganz am Anfang der Planung“, so Meisert, doch werden die Pläne wahr, soll das Kraft-Wärme-Werk 2012 in Betrieb gehen. Das zweite Vorhaben: ein 150 Megawatt-Kraftwerk in Lichterfelde, ebenfalls geplant von Vattenfall.

„Das muss man im Zusammenhang sehen“, mahnt Wilfried Lücking vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Wenn Vattenfall am Teltowkanal baut, stellt sich die Frage nach einem Ausbau der Wasserstraße und der Machnower Schleuse erneut, so der Flussexperte.

Wird Berlin neben Steinkohle künftig mit alternativen Energieträgern wie Biomasse geheizt – das moderne Holzkraftwerk Harpen EKT liegt direkt am Teltowkanal und benötigt jährlich 200 000 Tonen Holz – hat das auch anderswo Folgen. Im Hafen Königs Wusterhausen, einem Vorzeigeprojekt märkischer Wirtschaftspolitik, wird zu 45 Prozent Lausitzer Braunkohle umgeschlagen. Seit den 80er Jahren ist Königs Wusterhausen der „Kohlenhof“ für Berlin. „Klar“, sagt der kaufmännische Leiter der Hafen-Gesellschaft, „wird keine Braunkohle mehr gebraucht, haben wir hier ein Problem.“ Daher rüstet sich der Hafen längst zum Umschlagplatz für andere Transportgüter. „Dünger, Agraprodukte, Chemietransporte, Biomasse“, zählt Geschäftsführer Reinhard Schuster auf. „Auch Steinkohle spielt eine Rolle, denn entscheidend ist, woher sie kommt.“ Man werde sich darauf einstellen und sollte Vattenfall in Berlin tatsächlich ein Kraftwerk bauen, werde man dem Stromkonzern ein Angebot machen.

Fakt indes ist: Für die Attraktivität des Hafens und dessen Auslastung „brauchen wir leistungsfähige Schnittstellen“, so Schuster. Der Teltowkanal erfüllt dieses Kriterium nicht: „Dessen Zustand ist nicht hinnehmbar, der Ausbau ist zwingend“, befindet der Hafenchef. Dass die Bundesregierung den Ausbau des Kanals und der Machnower Schleuse wegen klammer Kassen auf Eis gelegt hat, „ist nicht akzeptabel“. Noch habe man „deutliche Wettbewerbsnachteile“ und wolle Brandenburg nicht zum Nadelöhr im europäischen Transportkorridor werden, dürfe man die Ertüchtigung der Wasserstraßen nicht länger hinauszögern. Derzeit ist die Kapazität des Hafens, wo jährlich zwei Millionen Tonnen umgeschlagen werden, zu 70 Prozent ausgelastet. Mittelfristig ließe sich das Umschlagsvolumen um 500 000 Tonnen erhöhen, wenn die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden, wozu Schuster Kleinmachnows Schleuse und den Teltowkanal zählt.

Nach aktuellen Informationen aus dem Bundesverkehrsministerium soll die Schleuse erst mit dem Ablauf ihrer Restnutzungsdauer ersetzt werden. Demnach müsste das Bauwerk in spätestens 20 Jahren durch eine funktionsfähige Schleuse ersetzt sein, die für moderne Großmotorgüterschiffe geeignet ist. Derzeit haben die Schleusen Wusterwitz und Zerben am Elbe-Havel-Kanal höchste Priorität, die bis 2012 ersetzt werden sollen. Danach wäre ein Neubau in Kleinmachnow möglich. Bis dato wurde trotz abgeschlossener Planfeststellung das Projekt zurückgestellt. Umstritten war insbesondere die vorgesehene Kammerlänge von 190 Metern. Doch eine Überprüfung der umstrittenen Kammerlänge hat ergeben, dass der Bund aus verkehrlichen und ökologischen Gründen an dieser Lösung festhält. Hauptgrund: Eine Verkürzung der Kammerlänge würde die Einrichtung einer Koppelstelle für Schubverbände erforderlich machen, was zu erheblichen ökologischen Eingriffen führen würde.

Die Frage des Bedarfs war bislang eines der gewichtigsten Argumente beim Für und Wider des Schleusenausbaus. Völlig überzogene Prognosen Anfang der 90er Jahre sorgten – zu recht – für Zweifel und Widerstand. Korrigierte Zahlen verheißen indes weiterhin einen Zuwachs des Tonnageaufkommens: 0,85 Millionen Tonnen wurden im Vorjahr durch Kleinmachnow geschleust. Im Jahr 2015 werden 1,3 Millionen Tonnen erwartet. Man kommt nicht umhin, die Frage des Ausbaus von Schleuse und Kanal zu klären. Denn der Teltowkanal wird als Schifffahrtsstraße weiterhin Nutzen und Bedeutung haben.