Potsdamer Neueste Nachrichten 24.11.06

Gedämpfte Strahlkraft

Heidelberger Druckmaschinen richten Vertriebszentrale im Europarc ein / Unmut über Landespolitik

Kleinmachnow - Matthias Platzeck war wieder mal da. Vor ein paar Tagen, am 9. November, hat der märkische Landesvater im Europarc eine kurze Rede gehalten über den Fall der Mauer, der hier, an dem ehemaligen Grenzübergang Drewitz-Dreilinden, die ganze Landschaft verändert hat. Statt grauer Sperranlagen strahlen Leuchttürme an der Nahtstelle zwischen Berlin und Brandenburg, wie Platzeck einmal die Europazentrale von eBay lobte.

Als der Online-Auktionshändler vor zwei Jahren im Europarc den Grundstein für sein inzwischen längst bezogenes zweites Bürohaus legte, versprach Platzeck einen ersten Schritt zum Wiederaufbau der Stammbahn. Die historische und nach dem Mauerbau gekappte Verbindung zwischen Potsdam und Berlin über Dreilinden wäre für die Entwicklung des Gewerbestandortes enorm wichtig, forderten Kleinmachnows Bürgermeister Wolfgang Blasig, ebay-Chef Stefan Groß-Selbeck und Europarc-Geschäftsführer Walter Brümmer unisono.

Letzterer ist inzwischen selbst aktiv geworden. Die Europarc GmbH hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die volkswirtschaftliche Bedeutung der Stammbahn bewertet – und nachweist. Drei Varianten für den Wiederaufbau der Strecke werden in der Expertise betrachtet. Das Ergebnis: Die mit 161 Millionen Euro teuerste Option ist zugleich die effizienteste. Brümmer hat Platzeck bei seinem jüngsten Kurzbesuch das Gutachten als Erinnerungsnotiz in die Hand gedrückt. Der Europarc könne nur Motor sein, steuern müsse das Stammbahn-Projekt Berlin und Brandenburg, so Brümmer.

Die Wiederbelebung der Bahn wird als effizienter Beitrag gesehen, um die Region an die Schiene anzubinden. Für Brümmer ist ein Haltepunkt unmittelbar am Europarc nahezu von existenzieller Bedeutung für eine erfolgreiche Zukunft des Gewerbestandorts. Zu 34 Prozent sind die bislang erschlossenen Flächen ausgelastet. „Es gibt viel zu tun“, konstatiert Brümmer. Die neuen Mieter, die sich in den vergangenen Monaten niederließen, haben durchaus klangvolle Namen, die den Europarc wegen seiner Lage zunehmend als Vertriebszentrale nutzen. Auf 1500 Quadratmetern hat sich die Vertriebsorganisation der Heidelberger Druckmaschinen eingerichtet. Brümmer ist „happy, einen solchen Hochkaräter“ an Land gezogen zu haben. Mit i 21 Germany firmiert inzwischen ein führendes Unternehmen der Telekommunikationsbranche im Europarc. Die GmbH besitzt und betreibt Europas fortschrittlichstes und dichtestes Sprach- und Datennetz, in Dreilinden errichtet i 21 einen Knotenpunkt für ein europaweites Glasfasernetz. Ansiedlungen einer französischen Vertriebsfirma, eines Europa-Ablegers eines koreanischen Pharmatechnologie-Unternehmens und der Bertelsmann-Tochter Media One, die von Dreilinden aus den Vertrieb von Lexika für Norddeutschland steuert, stärken den Ruf des hochwertigen Gewerbeparks. Etwa 600 neue Stellen sind in den vergangenen anderthalb Jahren geschaffen worden, insgesamt sind bislang im Europarc 2000 Arbeitsplätze entstanden.

Als erfolgreiches Instrument zur Akquise haben sich die großformatigen Reklametafeln an der A 115 bewährt, die regelmäßig neu gestaltet werden. „Die meisten Anfragen bekomme ich über die Schilder, weniger über Makler“, sagt Brümmer. Hilfreicher für eine Vermarktung wäre jedoch eine bessere Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung des Landes, so Brümmer. Doch die gestalte sich schwierig.

Mit Kollegen anderer Gewerbeparks wie dem A 10 Center, dem Preußenpark und dem Güterverteilzentrum Großbeeren hat sich Brümmer über bessere Vermarktungsaktivitäten verständigt. Eine Idee: Die ZukunftsAgentur Brandenburg (ZAB), die für Wirtschaftsförderung im Land zuständig ist, stellt monatlich einen Überblick mit Unternehmen zur Verfügung, die an einer Ansiedlung in Brandenburg interessiert sind. „Das würde jedem die gleichen Chancen eröffnen“, so Brümmer. So ließen sich Rückschlüsse ziehen, welches Firmenprofil und welche Geschäftsidee potenzielle Ansiedler haben und welcher Standort den Anforderungen am besten gerecht wird. Doch auf die ZAB-Liste wartet Brümmer bislang vergeblich. „Wir wissen bis heute nicht, wer was für welche Zwecke in Brandenburg sucht.“

Dass die Landesplaner Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow nicht als regionalen Wirtschaftskern sehen, ist für Brümmer Indiz, dass in Brandenburg nach wie vor regionale Stärken nicht konsequent genug herausgearbeitet werden. Doch habe es die Region selbst nicht verstanden, ihr Potenzial ausreichend darzustellen, um als Wirtschaftskern definiert zu werden. Von dessen Strahlkraft hätte auch der Europarc profitiert.

So bleibt es dabei, dass die Region eher von der Dreilindener Leuchstärke profitiert als umgekehrt. Golbal player ebay ist weiter auf Expansionskurs, weshalb für das Unternehmen nunmehr ein vierter Komplex errichtet wird. Konzerntochter „mobile.de“ wird dort 2300 Quadratmetern beziehen. Landesvater Matthias Platzeck wird weiter Gründe haben, an der einstigen Grenze anzuhalten.