Potsdamer Neueste Nachrichten 22.09.06

Als hätte ein Krieg getobt

Kleinmachnower Wählergruppe fordert Maßnahmen für Fath-Gelände – Gemeinde ist nicht zuständig

Von Dirk Becker

Kleinmachnow - Für Kinder muss es ein Paradies sein. Unzählige Klettermöglichkeiten, zahlreiche Verstecke, alles da um eine Bude zu bauen oder stundenlang neue Abenteuer zu erleben. Für Peter Weis von der Wählergruppe „Bürger für gute Lebensqualität in Kleinmachnow“ (BIK) ist das über 33 Hektar große Fath-Gelände am Rande von Kleinmachnow jedoch der reinste Albtraum. Seit der Insolvenz der Berliner Fath-GmbH im Jahr 2002 steht das geschichtsträchtige Industrieareal am Stahnsdorfer Damm in direkter Nähe zur Autobahn leer und verfällt.

Am Mittwochnachmittag haben Peter Weis und einige Mitglieder der BIK zu einer Ortsbegehung eingeladen, um zu zeigen, dass auf dem Fath-Gelände dringender Handlungsbedarf besteht. Noch vergangene Woche war das Tor des ehemaligen Haupteinganges, direkt gegenüber des Landesamtes für Geowissenschaften und Rohstoffe, offen und für jeden zugänglich. Nach einem Brand auf dem Gelände am vergangenen Freitag hat die Feuerwehr das Tor mit einem Schloss gesichert. Für Peter Weis bleibt das Problem. „Der Zaun hat so viele Löcher, die einen förmlich einladen“, sagt er. Über einen Parkplatz geht es zu einem Waldweg, der direkt am Fath-Gelände entlang führt. Der Maschendrahtzaun zeigt riesige Löcher oder fehlt stellenweise vollständig, in manchen Bereichen dienen alte Wellasbestplatten als Absperrung. Zwischen zwei leeren Zaunpfosten führt eine breiter Trampelpfad auf das Gelände. Gleich rechts steht ein kleines Haus. „Die alte Kompressorenstation“, sagt Weis.

Die Wände sind mit Graffiti übersät, sämtliche Scheiben eingeschlagen, der Boden voller Abfälle, und schaut man noch oben, dorthin, wo nur noch die Überreste an ein Dach erinnern, will man dieses Haus schnell verlassen. Peter Weis deutet in die hinterste Ecke. Dort stehen zwischen all dem Müll ein paar Kanister. „Das ist Altöl“, sagt Weis. Nur ein Beispiel dafür, welche gefährlichen Abfälle auf dem Gelände herumliegen. Weis vermutet viel Dreck im Boden der über die Jahre der industriellen Nutzung dorthin gelangte. „Kraftstoffe, Waschmittel für die Autowäsche, Entfettungsmittel für die Motorwäsche“, zählt er auf. Daneben Haufen von alten Reifen und anderer Schrott. All die Firmen, die hier einst angesiedelt waren, hätten ihre Spuren hinterlassen und das nicht immer zum Wohle der Umwelt. Ein weiterer Missstand, den Weis beklagt, sind die illegalen Müllentsorgungen auf dem Gelände.

„Als das Tor noch offen stand, war es ein leichtes, mit dem Auto auf das Gelände zu fahren und hier seinen Privatmüll schnell und vor allem kostenlos zu entsorgen“, sagt Weis. Schon nach wenigen Schritten kann er die ersten Beweise präsentieren. Vor einem fast schon romantisch verwachsenen Bus-Skelett liegen Holzabfälle und Plastikreste. Vielleicht zwei Wochen, so schätzt man in der Runde, länger liege das Zeug hier nicht. Hinter der nächsten Häuserecke stehen ein paar Fässer, gefüllt mit einer undefinierbaren Masse.

Weiter geht es an leeren Baracken vorbei. Heile Fensterscheiben sucht man hier vergebens. In manchen Räumen stapelt sich der Müll, an manchen Stellen ist das Dach eingestürzt. „Das Fath-Gelände ist eine tickende Zeitbombe“, sagt Peter Weis. Und das bezieht sich nicht nur auf den chemischen Müll, den er hier im Boden vermutet und der durch den Regen immer tiefer gespült werde und irgendwann das Grundwasser belasten kann. „Das ist besonders bedenklich, weil in der Nähe die Hauptpumpe der Kleinmachnower Wasserwerke steht.“ Vor allem für Kinder und Jugendliche sieht Weis eine akute Gefahr, denn durch die einsturzgefährdeten Baracken und verdeckten Kellerschächte sei die Unfallgefahr auf dem Gelände sehr groß. Weis fordert die Gemeinde und im Besonderen Bürgermeister Wolfgang Blasig auf, endlich zu handeln. „Einen Zaun und Wachschutz“, fordert Weis als erste Maßnahme. Und endlich eine Entsorgung der Abfälle und Sicherung der einsturzgefährdeten Gebäude. Von schwerwiegenden Versäumnissen spricht Weis, denn schließlich sei die Gemeinde Eigentümerin des Geländes.

Wolfgang Blasig machen solche Vorwürfe wütend, weil sie auf falschen Informationen beruhen. „Die Gemeinde Kleinmachnow ist nicht Besitzer des Fath-Geländes. Das ist noch immer Klaus Korte, Besitzer der insolventen Fath-GmbH“, erklärt Blasig den PNN auf Nachfrage. Auch sei das Gelände vom Umweltamt des Landkreises überprüft worden. Chemische Abfälle, die das Grundwasser gefährden könnten, seien dabei nicht gefunden worden. Es liege zwar ein Menge Schrott auf dem Gelände, doch bestehe zurzeit keine Gefahr für die Umwelt. Immer wieder habe die Gemeinde den Besitzer aufgefordert, das Gelände zu sichern. Nach dem Brand am vergangenen Freitag hat die Gemeinde dann selbst gehandelt und das Tor durch die Feuerwehr verriegeln lassen. „So lange das Gelände nicht zum Verkauf steht, kann die Gemeinde nicht eingreifen“, sagt Blasig.

Bis dahin wird es am Rande von Kleinmachnow weiterhin aussehen, als hätte hier ein Krieg getobt.

 

Potsdamer Neueste Nachrichten 22.09.06

GELÄNDE MIT GESCHICHTE

Für die kriegswichtige Produktion benötigte die Kleinmachnower Rüstungsfabrik der Firma Bosch ab 1936 eine größere Fläche für den Fuhrpark. Im selben Jahr begann der Bau der ersten Gebäude am Stahnsdorfer Damm 81. Nach 1945 wurde das Gelände als Abstellplatz und zur Instandsetzung von Fahrzeugen genutzt. Mit der Ansiedelung der Max-Reimann-Werke aus Ludwigsfelde kam 152/53 eines der wichtigsten Instandsetzungswerke für Lkw und Busse nach Kleinmachnow.

Nach der Wende konnte sich das Instandsetzungswerk noch knapp ein Jahr lang halten, scheiterte dann im Juli 1990 an der Marktwirtschaft. Der Berliner Taxiunternehmer Klaus Korte erwarb daraufhin das Gelände mit den Baracken, Garagen und Werkhallen von der Treuhand und betrieb dort mit der Fath-GmbH Lkw- und Pkw-Reparaturen. Doch wegen fehlender Umsätze musste die Fath-GmbH im Jahr 2002 Insolvenz anmelden. Seitdem steht das Gelände leer. D.B.