Potsdamer Neueste Nachrichten 08.09.06

Zur Einsicht "schubsen und drängeln"

Die neue Förder- und Finanzpolitik des Landes würde die Region Teltow nicht zur Gewinnerin machen. Hilft nur eine Fusion?

Von Peter Könnicke

Stahnsdorf - Mittelzentrum, Wachstumskern, Finanzausgleich, Branchenschwerpunkt. „Da kommt kein Bürger mehr mit“, befürchtet der Stahnsdorfer SPD-Politiker Dietmar Otto. Gerade hat er wieder einen Vortrag seines Bürgermeisters Gerhard Enser (CDU) gehört, der bildhaft zu erklären versuchte, welche Folgen die Pläne der Landesregenten bei der Neustrukturierung Brandenburgs für die Region haben. Hauptsächlich geht es dabei darum, „Stärken zu stärken“. Das wenige Geld, das die Landesoberen zu verteilen haben, soll in die richtigen Stellen fließen. Instrumente dafür sind jene Begriffe, die so allgemein, abstrakt und theoretisch klingen, dass für den Laien wohl tatsächlich schwer zu verstehen ist, was dahinter steckt.

Unterm Strich geht es ums Geld. Wird eine Stadt oder eine Region als Wirtschaftskern gesehen, gibt es für den Bau von Straßen, für die Entwicklung von Gewerbegebieten, für Bahnanschlüsse aber auch für Schulen, Kultur- und Freizeitstätten Geld vom Land. Auch Branchenschwerpunkte wie Biotechnologien oder Medizintechnik werden gefördert. Mittelzentren wiederum bekommen Geld dafür, dass sie Aufgaben für benachbarte Orte erfüllen. In Mittelzentren ballen sich soziale und kulturelle Einrichtungen, Arbeitsplätze, Bahnhöfe, Schulen, Gesundheitszentren. Um all dies anbieten zu können, sollen Mittelzentren jährlich mit 800 000 Euro ausgestattet werden. Nach den Plänen der Landesplaner soll die Stadt Teltow so ein Mittelzentrum werden (PNN berichteten).

Nun ist sich Enser mit den meisten Ortspolitikern aus Stahnsdorf, Kleinmachnow und Teltow, die sich am Mittwoch in der Kommunalen Arbeitsgruppe „Der Teltow“ trafen, nahezu einig: „800 000 Euro sind eine alberne Summe. Nonsens!“ Selbst wenn man alle drei Orte als gemeinsames Mittelzentrum anerkennen würde, gebe es nicht mehr Geld. Und für wen sollte die Region Dienstleister sein? Für Potsdam? Gar für Berlin? Selbst Ludwigsfelde im angrenzenden Teltow-Fläming ist nicht auf das Dreigespann angewiesen: Die Automobil-Stadt wird sich als anerkannter Wachstumskern an einem Höchstmaß an Landesförderung laben. Die sonst als vorteilhaft zitierte Lage der Region Teltow zwischen zwei Metropolen wird hier zum Hemmnis.

Da wirkt es beinahe wie eine wohlwollende Geste, wenn die Landesoberen wenigstens Teltow zum Mittelzentrum küren wollen. Doch nüchtern betrachtet, hilft das der Region kaum. Zum einen sind mit 800 000 Euro kaum die gegebenen Herausforderungen und Ansprüche zu finanzieren – weder die Sanierung des Freibades Kiebitzberge, noch ein S-Bahnanschluss oder die Stammbahn, nicht die Aufwertung der Teltowkanalaue zum Regionalpark oder ein Industriemuseum und auch kein gemeinsames drittes Gymnasium. Zum anderen fragte Enser in die KAT-Runde: „Kann Teltow leisten, was für die Region nötig ist?“ Allein der Tenor der Frage verriet die Antwort: Sicher nicht! Die individuellen Pläne der einzelnen Kommunen werden sich nur schwer unter Teltows Regie steuern lassen, ungern werden sich Kleinmachnow und Stahnsdorf an den Tropf des Nachbarn hängen lassen. Enser weiß zum Beispiel, dass sein Teltower Amtskollege Thomas Schmidt für die Ansiedlung eines Kaufland-Marktes „scharf auf die 5000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche ist, die Stahnsdorf zugesichert sind“. So leicht abtreten wird Stahnsdorf die Option an Teltow jedoch nicht. Das sagt Enser zwar nicht, hören kann man es trotzdem.

Sollte es so kommen, wie es sich die Landesplaner ausgedacht haben – 2009 soll Brandenburg in neue Zentren gegliedert sein – wäre die Region Teltow nicht wirklich ein Gewinner. „Wir würden von Entwicklungen abgehängt, die andernorts stattfinden“, warnte in diesen Tagen der Kleinmachnower Sozialdemokrat Jens Klocksin. Der bemüht sich eifrig, für die Region Teltow den förderfähigen Status eines „Siedlungs- und Entwicklungsschwerpunktes“ zu konstruieren und der Landesregierung schmackhaft zu machen. Dort ist das Echo bislang bescheiden.

Wenn ein Mittelzentrum – egal ob gemeinsam oder durch Teltow – die Region nicht wirklich voranbringt, dann sieht Gerhard Enser nur noch eine Stellschraube: die Einwohnerzahl. Denn die künftige finanzielle Ausstattung der märkischen Kommunen orientiert sich daran, wie viel Einwohner in einem Ort leben. Die Formel ist einfach: Je mehr Einwohner, desto mehr Geld. Basis ist der Hundertsatz, der bis zu 5000 Einwohnern gilt. Ist die Bevölkerungszahl höher, steigen die finanziellen Zuwendungen. „Veredelung“ heißt das schöne Wort dafür. Durch diesen neu geregelten Finanzausgleich würden Stahnsdorf und Kleinmachnow ab dem kommenden Jahr wesentlich mehr Zuweisungen bekommen als bisher, Teltow blieb indes beim Status Quo. Richtig klappern in der Kasse würde es jedoch erst, wenn sich die drei Orte zu einem vereinen würden und dann mehr als 50 000 Einwohner hätten. Jährlich 4,5 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen würde ein gemeinsamer Ort – Enser hat ihm den Arbeitstitel KleiST gegeben – bekommen.

Der Gedanke ist alles andere als neu. Und allen Vorbehalten, Ängsten und Widerständen zum Trotz : „Wir müssen die Pläne das Landes leidenschaftslos zur Kenntnis nehmen und die Folgen nüchtern mit unseren Bürgern diskutieren“, rät Enser. Immerhin: Das sonst reflexartige Abwinken, wenn das Wort Fusion fällt, blieb in der KAT-Sitzung aus. Zwar störte sich die Teltower PDS-Stadtverordnete Traude Herrmann daran, dass Zusammenarbeit „nur unter finanziellen Aspekten“ gesehen werde. Doch war ihr die Erkenntnis gereift, „dass wir den Leuten die Vorteile deutlicher machen müssen, so dass sie sich selbst zu mehr Gemeinsamkeit schubsen und drängeln.“ Noch streitet man, wie man diese deutlichen Zeichen setzen soll. Der Stahnsdorfer SPD-Gesandte Otto etwa meint, es müssen „richtige Knaller“ sein, woran man funktionierende Kooperation erkennt. Teltows FDP-Chef Hans-Peter Goetz ist hingegen überzeugt, dass man zunächst Synergien im Kleinen schaffen sollte.

Bislang hat der interessierte Beobachter geduldig verfolgt, wohin dieses Hin und Her führt. Vielleicht zwingen die Pläne des Landes die Akteure der Region jetzt zu mehr Konsequenz. Stahnsdorfs Bürgermeister, der sich mit dem Vorschlag schon einmal eine blutige Nase geholt hat, tritt erneut in die Pedale und hält Kurs – Richtung Fusion.