Potsdamer Neueste Nachrichten 06.07.06
Mit der alten Autobahnbrücke würde ein Zeitdokument verschwinden
Kleinmachnow - Als es den Teltowkanal
noch nicht gab und die Bäke ein fließendes Hindernis auf dem Weg nach Berlin
war, gab es zwei Möglichkeiten, den Bach zu überqueren: an der Bäkemühle in
Kleinmachnow oder über die Kohlhasenbrücke. Da die Übergänge ein beträchtliches
Stück von einander entfernt waren, wurde ohne Erlaubnis eine weitere Passage
angelegt. In alten Karten ist sie noch eingezeichnet: der „Contrabandensteg“. Später,
als der Teltowkanal gebaut wurde, entstand an ungefähr gleicher Stelle die Kremnitzbrücke.
Die wurde Ende des Zweiten Weltkrieges gesprengt und – da ohnehin Grenzen
gezogen wurden – nie wieder aufgebaut.
Die Geschichte der Brücken über dem Teltowkanal ist vielfältig und oftmals nur
wenig erzählt. Ein Kapitel soll jetzt beendet werden: der Berliner Senat will
die alte Autobahnbrücke, die über den Kanal nach Albrechts Teerofen führt,
abreißen. „Sie ist seit Jahren entwidmet, ihre Benutzung ist nicht erlaubt“, so
Petra Rohland vom Stadtentwicklungssenat gegenüber den PNN. Um den Teltowkanal
auszubauen, müsse die Brücke weichen.
Mit ihr würde ein zeitgeschichtliches
Dokument verschwinden. Die Brücke war Teil des AVUS-Zubringers, der 1939 als
Verbindung Berlins zum südlichen Autobahnring gebaut wurde. Die Autobahn führte
zu DDR-Zeiten als Anschluss an die A2 nach Helmstedt. Rund 66 Prozent des Transitverkehr
rollten über diese Strecke. Als 1969 West-Berlin seinen neuen
Grenzkontrollpunkt Dreilinden fertiggestellt hatte, verpasste die DDR der A 115
einfach einen neuen Verlauf. Drei Kilometer der alten Trasse samt Brücke wurden
stillgelegt. Mitten auf der alten Autobahn entstand ein Campingplatz, direkt
auf der Brücke ein Stück Mauer.
Heute ist das Areal verlassen und vom Ursprung seiner Entstehung genauso weit
entfernt wie die Brücke. Alte Fahnenmasten erinnern an den einstigen
Grenzwechsel. Stromverteilerkästen sind still gelegt. Und in die alte
Raststätte Dreilinden kehren nur noch Vandalen ein. „Wer kann über die
Zerstörungen Auskunft geben?“, fragt das Bezirksamt Zehlendorf auf einem Zettel
an der Eingangstür. Die Agentur „BerlinCrimeTours“ wollte das Traditionsobjekt
retten und in ein Museum umwandeln. Vergebens: „Dieses Projekt wird demnächst
einschlafen! Unsere Bemühungen waren nicht erfolgreich und die zugesagte
Unterstützung nicht vorhanden!“, lässt die Agentur auf ihrer Internetseite
wissen. Bei der Oberfinanzdirektion des Bundes gilt die alte Raststätte als
„Problemliegenschaft“. Ein Käufer – 30 000 Euro sind veranschlagt – ist nicht
in Sicht. Es sei ein Vermarktungshindernis, dass das Areal mitten im
Naturschutzgebiet liegt.
„Aber genau liegt der Reiz “, befindet Peter Ernst, der sich seit Jahren
bemüht, auf den geschichtlichen und touristischen Wert des Terrains entlang des
Kanals hinzuweisen. Die alte Autobahnbrücke spielt dabei eine wichtige Rolle:
Für den nach Erholung suchenden Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer ist sie
unverzichtbar, um von Berlin auf die andere Seite zu gelangen – und umgekehrt.
Doch es ist verboten, sie zu passieren. „Wer sie nutzt, tut das illegal“,
betont Senatssprecherin Rohland. Der verbotene Zugang wurde wiederholt
kenntlich gemacht, an den Enden der Brücke wurden Tore installiert und
verschlossen. Doch es gibt politische Widerstände gegen die Sperrung und den
geplanten Abriss: Zehlendorfs Baustadtrat Uwe Stäglich hat wiederholt geäußert,
dass er den alten Grenzkontrollpunkt als Schauplatz deutscher Geschichte
bewahren und den einstigen Grenzübergang gern in den Mauerradweg integrieren
wolle. Wenn dies keine Sackgasse werden soll, braucht man eine Brücke. Für den
Kleinmachnower SPD-Landtagspolitiker Jens Klocksin ist „diese Brücke ein
Dokument deutscher Geschichte, die die Teilung Deutschlands verkörperte“. Jetzt
könne diese Brücke wieder verbinden, wenn sie der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werde. Für das Projekt Teltowkanalaue, mit dem Teltow, Kleinmachnow und
Stahnsdorf die Aufwertung des Kanalumgriffs betreiben wollen, sei die Brücke
von zentraler Bedeutung. Und SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein wurde
auf ihrem jüngsten Mauerstreifzug überrascht, dass die Brücke gesperrt ist.
Daher bittet sie Brandenburgs Verkehrsminister Frank Szymanski, die Gründe für
die Schließung zu prüfen.
Steht man unter dem Brückenbauwerk, fragt man sich angesichts der Dimension
einer zweispurigen Autobahn samt Mittelstreifen, ob es in seinem jetzigen
Ausmaß tatsächlich noch zu gebrauchen ist. „Dem Bedarf standhalten würde sie“,
ist Peter Ernst überzeugt. Und wenn man sie abreißt, sollte man Ersatz
schaffen: „Am besten die Kremnitzbrücke.“ P. Könnicke