Potsdamer Neueste Nachrichten 27.06.06

Die Kita im Dorf gelassen

Kleinmachnow - Das Schwert, die Gans und das „W“ waren den staatlichen Funktionären suspekt. Am Tag nach dem St. Martins-Umzug musste sich die Pastoralreferentin vor der gemeindlichen Partei- und Staatsobrigkeit verantworten, warum Kinder aus dem katholischen Kindergarten ihren Lampionumzug bis nach Hause fortsetzten und dabei, ausgerechnet einen Tag vor den Staatsratswahlen, die diskreditierenden Symbole auf ihren Laternen trugen. Das „W“ stünde doch sicherlich für Walter Ulbricht – und das im Zusammenhang mit einer Gans.

Die Anekdote aus den 60er Jahren ist ein kleiner Hinweis, dass es eine katholische Kindertagesstätte in Kleinmachnow nicht immer leicht hatte. Vor allem nicht in Zeiten, in denen das Bekunden religiöser Handlungen im öffentlichen Raum nicht gern gesehen oder gar untersagt war. Daher ist es nicht selbstverständlich, dass die katholische Kita „St. Thomas Morus“ in Kleinmachnow in diesen Tagen ihr 60-jähriges Bestehen feiert.

Pfarrer Moritz, der 1935 in Kleinmachnow die katholische Gemeinde „Sanctissma Eucharistia“ gründete, gilt auch als Gründungsvater der Kindertagesstätte. Sie entstand direkt neben dem Pfarrhaus in der Hohen Kiefer, kurze Zeit später siedelte sie in den Grasweg um, wo sie Jahrzehnte ihr Domizil hatte. Erste Leiterin des Kindergartens war Felicitas Türpe. Die heute 86-Jährige kann sich noch an die ersten Möbelstücke erinnern, die der Kita gespendet wurden: ein riesiger Tisch und ein paar Bänke. Im Keller des Hauses fand sie alte Federkissen, aus denen sie das noch brauchbare Material herausschnitt und es mit Trachtenborde zu Tischdeckchen verwandelte. Drei Jahre leitete Felicitas Türpe das Haus, in dem zunächst 20 Kinder betreut wurden. „Dann wurde es politisch schwierig“, erzählt sie. Da ihr Vater in der NSDAP und ihre Mutter in der Frauenschaft waren, galt sie für die sowjetische Besatzungsmacht als ungeeignet, eine Kita zu leiten.

Doch als Kindertagesstätte hat die Einrichtung ihren Platz in Kleinmachnow über sechs Jahrzehnte behauptet. Heute befindet sich die katholische Kita direkt im Ortszentrum, unter einem Dach und Tür an Tür mit dem kommunalen Kindergarten. 60 Kinder werden hier betreut und religiös erzogen. So verbreitet die Einrichtung unter Achtung der Individualität der Kinder den Glauben an Gott und vermittelt diesen durch religiöse Haltung wie Gebete, Gottesdienste und Feste.

Die vermeintliche Staatslästerung zum St. Martinsumzug vor gut 40 Jahren hat sich übrigens schnell geklärt: Der Lampion hing einfach verkehrt herum am Haken, so dass das „W“ in Wirklichkeit ein „M“ wie Martin war. Und die Gans und das Schwert hatten nichts mit Ulbricht zu tun, sondern gehören unzweifelhaft zur Geschichte des Heiligen St. Martin. pek