Potsdamer Neueste Nachrichten 08.06.06
„ ... und zum Dritten“
Wohn- und Geschäftshaus am Uhlenhorst in Kleinmachnow für 3,5 Millionen Euro
versteigert
Von Peter Könnicke
Potsdam/Kleinmachnow - Der große Zeiger
springt auf die nächste Minute. Im Film hätte es jetzt wohl ein Geräusch
gegeben. Die Uhr im Verhandlungssaal 314.2 tut geräuschlos ihren Dienst. Mit
einem kurzem Zucken dreht sich der Zeiger auf 11.52 Uhr. In den nächsten 30
Minuten erwartet Ulrich Doehring Millionenofferten.
Es ist Versteigerungstermin am Potsdamer Amtsgericht, und Gegenstand der
Auktion ist heute ein Wohn- und Geschäftshaus in bester Kleinmachnower
Ortslage. Wert der Immobilie: fünf Millionen Euro. Das stattliche Ensemble,
dass das Karree zwischen Karl-Marx-Straße und Uhlenhorst füllt und durch seinen
viergeschossigen Turmbau das Ortsbild prägt, soll im dritten Versuch unter den
Hammer kommen. Auf der Versteigerung im vergangenen Oktober wurden 2,5
Millionen Euro geboten – zu wenig für die Euro Hypo Bank AG. Die
Hauptgläubigerin hat die Versteigerung der Immobilie beantragt. Heute kann die
Schmerzgrenze der Bank getestet werden: „Heute entscheidet sie, wie lange sie
still hält“, stimuliert Doehring seine Kundschaft. Das geringste Gebot dotiert
der Rechtspfleger mit 120 000 Euro.
Der ansehnliche Komplex an der Karl-Marx-Straße
steht seit Juli 2003 unter Zwangsverwaltung. Zwei Kleinmachnower hatten nach
der Wende eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet und unter derem
Siegel das Bauprojekt aus der Taufe gehoben. Der Standort hatte durchaus
Tradition: Einst stand hier das Restaurant „Uhlenhorst“, das ab den 70er Jahren
als Gästeherberge für das „Carl von Ossietzky“-Werk im benachbarten Teltow
genutzt wurde. Der neue Turmbau mit dem ausgebauten Kegeldach und die vier
zweigeschossigen Gebäude erwiesen sich als attraktive Adresse. Auf den
insgesamt 3040 Quadratmetern eröffneten zwei Restaurants – ein Italiener und
ein Chinese – Geschäfte, Büros, eine Bankfiliale. 16 Wohnungen sind vermietet.
Dennoch hatten sich die beiden Geschäftsleute verkalkuliert. Gegenüber ihren
Kreditgebern gerieten sie in Zahlungsschwierigkeiten. Neben der Euro Hypo
stellten die Deutsche Bank und auch die Gemeinde Kleinmachnow Forderungen.
Knapp 7,5 Millionen Euro an Verbindlichkeiten listet Rechtspfleger Doehring
auf, doch betont er gegenüber der interessierten Käuferklientel: „Die Immobilie
wird lastenfrei und so wie sie an diesem trüben, verregneten Tag in
Kleinmachnow steht, versteigert.“
Doch im Saal regt sich keiner: Weder die gewichtig ausschauenden Herren, die in
dunklem Anzug und Krawatte in der hinteren und mittleren Stuhlreihe sitzen,
noch das Paar in der zweiten Reihe. Sie, adrett gekleidet, er leger in
Lederjacke, durchblättern aufmerksam den Ordner, den ein Gutachter zum Zustand
des Hauses angefertigt hat. „Gute Geschäftslage, durchschnittliche
Wohnqualität“, attestiert die Expertise. Bis zur Post sind es vom Uhlenhorst
650 Meter, bis zum Ortszentrum ein halber Kilometer. Etliche Bauschäden,
unzeitgemäße Raumaufteilung und „wirtschaftliche Überalterung“ listet das
Gutachten auf. Ein gewisser „Unterhaltungszustand“ wird unterstellt. 2005 lagen
die Mieteinnahmen bei 352 000 Euro, in diesem Jahr laufen etliche Mietverträge
aus. Deshalb verfolgen einige Mieter aufmerksam, ob sie heute und hier im
Gerichtssaal vielleicht auf den neuen Eigentümer des Wohn- und Geschäftshauses
treffen.
18 Minuten sind um. Auktionator Doehring hat noch kein Gebot auf dem Tisch. „In
den letzten zehn Minuten geht’s los“, prophezeit ein älterer Herr aus der
Mieterschaft. Ein Mann mittleren Alters – schicker Anzug, Schlips, modische
Brille – tritt an Doehrings Tisch und erkundigt sich flüsternd nach dem
Verteiltermin – dem Zahltag. Sollte heute das Haus versteigert werden, wäre das
Geld im September an die Gläubiger zu zahlen. Bleibt etwas übrig, bekommen den
Rest die insolventen Eigentümer. Vorsorglich hatte Rechtspfleger Doehring zu
Beginn des Versteigerungstermins darauf hingewiesen, dass eventuell vom
Meistbietenden eine Sicherheit verlangt wird. „Es kann ja ein Witzbold sein,
arm wie eine Kirchenmaus, der sich damit rausreden kann, gedacht zu haben, bis
zum Verteiltermin das Geld zu haben.“ Das wäre nicht einmal strafbar. Doch um
so einen Fall zu vermeiden, wird bei Versteigerungen eine Sicherheitsleistung
verlangt – meist 10 Prozent des Kaufpreises.
Sieben Minuten vor Ende der Gebotsfrist verlassen diverse SMS den Saal,
vibrierende Handys signalisieren eingehende Antworten. Ein Herr telefoniert
recht ungeniert mitten im Gerichtszimmer. Doehring findet das „ungebührlich“
und weist den Mann vor die Tür.
12.16 Uhr macht der Herr mit der schicken Brille, der für ein paar Minuten den
Saal verlassen hatte, das erste Gebot. 3,5 Millionen Euro. Kaum hat Doehring
das kund getan, werden noch einmal eilig werden Handytasten strapaziert. „Drei
komma fünf“, flüstert jemand in sein Telefon. Dabei bleibt es auch. „Zum
Ersten, zum Zweiten und zum Dritten“, zählt Doehring. Die beiden Bankvertreter
der Euro Hypo akzeptieren das Gebot. Die Berliner SIAG – Schorr Immobilien GmbH
& CO. Grundbesitz KG ist neue Eigentümerin der Kleinmachnower Immobilie.
Der Mann, der das Millionen-Gebot auf den Tisch legte, ist SIAG-Geschäftsführer
Rainer Schorr. Er hat das Motto, mit dem sich das Unternehmen vorstellt
erfolgreich in Szene gesetzt: „SIAG – Wir kaufen ihr Haus!“ SIAG beschreibt sich
selbst als „ein mittelständisches Immobilienanlageunternehmen mit
überdurchschnittlicher Kapitalausstattung“, das in Mehrfamilienhäuser, Wohn-
und Geschäftshäuser, gewerbliche Anlageimmobilien und Industrieliegenschaften
investiert. Eine eigene Baufachfirma könne einen eventuell vorhandenen
Instandsetzungsstau bei Häusern zügig und preisgünstig abarbeiten. Investiert
werde ausschließlich für den eigenen Bestand, eine „schnelle und professionelle
Abwicklung“ werde garantiert.
Das klingt nach den Jahren der Zwangsverwaltung und ungeklärten Zukunft wie ein
filmreifes „happy end“. Doch spricht man am Uhlenhorst eher von einem
interessanten Neubeginn.