Potsdamer Neueste Nachrichten 30.06.06

"Für einen späteren Ausbau gibt es jetzt keine Option"

Mit dem Mauerbau verlor der Teltowkanal seine Bedeutung als Verkehrsweg – für Berlin spielt er heute keine wesentliche Rolle

Von Joachim Winde

Der westliche Teil des Teltowkanals und die letzten Kilometer der Rudower Strecke blieben der Schifffahrt weiterhin verschlossen. Um zum Kraftwerk Lichterfelde zu gelangen, mussten die Tankschiffe im Transitverkehr vom Westen über die Havel bis Spandau, auf der Spree bis Baumschulenweg und über den Britzer Verbindungskanal fahren. Umweg, Grenzabfertigung und Zoll verlängerten die Reisezeit um zwei Tage.

Der Bau der Mauer im August 1961 teilte den Kanal in mehrere Abschnitte. Der Teltowkanal verschwand hinter Beton, wurde mit Kolonnenwegen, Wachtürmen und mit festen oder für die Schifffahrt beweglichen Sperranlagen versehen. Wirtschaftlich führte die Abtrennung 1962 zur Aufgabe der Teltow-Werft. Dort, in der Zehlendorfer Sachtlebenstraße, hatte die Teltow-Kanal AG bis zur Auflösung 1999 ihren letzten Sitz. Zuletzt gehörte die AG zu 94 Prozent dem Land Berlin und zu sechs Prozent dem damaligen Kreis Teltow.

Unverändert blieb die wasserwirtschaftliche Bedeutung des Teltowkanals als Aufnahmegewässer für unter anderem zehn Gräben, von Teilen der südlichen Rieselfelder bis zu deren Umwidmung und der Großklärwerke Waßmannsdorf, Marienfelde, Ruhleben und Stahnsdorf. Der Kanal lieferte außerdem Kühlwasser für die Wärmekraftwerke Steglitz, Rudow und Lichterfelde.

Seit der Aufnahme der Verhandlungen zwischen dem Berliner Senat und der DDR zur Wiedereröffnung des Teltowkanals vom Westen her begann man 1975 auf der Westberliner Strecke mit der Grundinstandsetzung. Das Ziel bestand in der Veränderung der Wasserspiegelbreite von 27 auf 37 Meter. Die neue Wassertiefe von 2,50 Meter gewährleistete eine Abladetiefe der Schiffe von zwei Metern. Die 1978 zwischen Berliner Senat und der DDR vereinbarte Wiedereröffnung betraf den Ausbau für einen zweischiffigen Verkehr von Kilometer 0,0 bis 15,1 (Teltow-Seehof) mit Wiederinbetriebnahme der Kleinmachnower Schleuse. 70 Millionen D-Mark kostete das Unterfangen. Die Freigabe des Transitverkehrs feierte man am 20. November 1981 auf dem Fahrgastschiff „Großer Kurfürst“ der Stern- und Kreisschifffahrt in Kohlhasenbrück. Den eröffneten Kanalabschnitt durchfuhr als erstes der Tanker „Lichterfelde“ der Dettmer-Reederei Bremen.

Bis zum 1. April 2000 sollte es dauern, bis von der Grünauer Brücke aus nach fünfjähriger Sanierung zwischen Rudow-Ost und Altglienicke auch die letzte Kanalstrecke für die Schifffahrt wieder frei gegeben werden konnte. Dort, am Kilometer 37,1, befand sich für ein Betonwerk die einzige Umschlagstelle der DDR am Teltowkanal.

Der große öffentliche Druck zum überdimensionierten Ausbau des Teltowkanals als Südtrasse des Verkehrsprojektes „Deutsche Einheit“ Nr. 17 hat seit der Aufgabe des Berliner Osthafens bei der Umsetzung zur Zurückhaltung und Umorientierung geführt. Somit wäre künftig nur noch ein Ausbau der Nordkammer der Machnower Schleuse auf 115 Meter statt auf 190 Meter gerechtfertigt. Diese Größe benötigen übrigens auch die seit 35 Jahren auf den anderen märkischen Hauptwasserstraßen – mit Ausnahme der Spree in der Berliner Innenstadt – fahrenden Schubverbände mit 110- bis 115 Metern Länge und einer Breite von 8,20 Metern. Wie die kompetente Fachzeitschrift „Binnenschifffahrt“ in ihrer Ausgabe 1/2-2006 informierte, werden „in den nächsten Jahren nur dort Investitionen vorgenommen, wo es erforderlich ist, den Kanal in seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten … und es gibt für einen späteren Ausbau jetzt keine Optionen“. Dies bedeutet, dass der Teltowkanal weiterhin in der europäischen Wasserstraßen-Klasse IV für die so genannten Europaschiffe (Länge 80 bis 85 Meter, Breite 9,50 Meter, max. 1350 Tonnen) verbleibt. Der Teltowkanal als Bundeswasserstraße hat heute eher für die Wirtschaft Ost-Brandenburgs mit dem Hafen in Königs Wusterhausen und Polen eine Bedeutung als für Berlin.

Der Autor: Joachim Winde lebt in Stahnsdorf und ist Diplom-Ingenieur für Schifffahrt. Er arbeitete seit 1960 im Bereich der deutschen Binnenschifffahrt und als Dozent für Speditionsbetriebslehre.