Potsdamer Neueste Nachrichten 19.04.06

"Stückwerk und Flickschusterei"

Stahnsdorfs Bürgermeister moniert neue Förder- und Finanzpolitik des Landes / Nachteile für die Region

Von Peter Könnicke

Stahnsdorf - Gerhard Enser war überrascht: Mehr Geld für unterfinanzierte Städte soll es demnächst in Brandenburg geben. Weil das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt hat, dass die Landesregierung in den Jahren 2003 und 2004 seinen Kommunen 200 Millionen Euro zu wenig überwiesen hat, soll es jetzt einen Nachschlag geben. Die vier kreisfreien Städte – Potsdam, Frankfurt (Oder), Brandenburg und Cottbus – stehen auf der Liste von Finanzminister Rainer Speer. Die vier Städte sollen durch das neue Finanzausgleichsgesetz (FAG) gestärkt werden.

Nicht dass Stahnsdorf Bürgermeister Enser neidisch wäre, im Gegenteil: Als „unterfinanziert“ würde er seine Gemeinde nicht mal mehr im Traum bezeichnen, seit Wochen kündet er von einer äußerst stabilen Kassenlage. Vielmehr stört ihn, dass die Finanz- und Förderpolitik des Landes nicht verlässlich ist – wie es Speers Ankündigung beweise.

„Platitüden“ nennt es der CDU-Bürgermeister, wenn Landesregenten davon reden, „Stärken zu stärken“ und statt des Gießkannenprinzips Wirtschaftsförderung und Finanzpolitik „aus einem Guss“ propagieren. Es habe mit einer „schönen Idee angefangen“, als Landesvater Matthias Platzeck im Vorjahr ankündigte, dass die Wirtschaftsförderung neu ausgerichtet, zentrale Orte neu ausgewiesen und der kommunale Finanzausgleich neu angepasst werden sollen. Dieses „ganzheitliche Paket“ hielt Enser für viel versprechend. Die Realität sieht er inzwischen anders. Während im Haus von Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns Branchenschwerpunkte und Wachstumskerne definiert worden sind, hat Infrastrukturminister Frank Szymanski eine Neugliederung des Zentrale-Orte-Systems nicht vor 2008 angekündigt. Um die Zeit zu überbrücken, will Speer in diesem Sommer nun sein neues FAG vorlegen. Einen Extrabonus zur finanziellen Grundausstattung sollen dann nur noch Kommunen mit mehr als 5000 Einwohnern bekommen. Zudem sollen nur noch Mittelzentren gefördert werden.

„Stückwerk und Flickschusterei“ nennt Enser dieses Vorgehen. „So funktioniert die Geschichte nicht,“ meint auch CDU-Kreischefin und Landespolitikerin Saskia Funck. Denn zentralörtliche Gliederung und Finanzausstattung könnten nur als Einheit wirken. Daher Ensers Forderung: „Wenn die Landesregierung es nicht schafft, die Zentralen Orte bis 2007 sachgerecht zu aktualisieren, sollte die Verteilung der Schlüsselzuweisung einwohnerabhängig und ohne Berücksichtigung überholter Zentralörtlicher Ansätze erfolgen.“

Da „Speer an Schrauben dreht, die nur ganzheitlich wirken dürfen“, befürchtet Enser Nachteile für die Region, sollte das FAG im Sommer beschlossen werden. So lange keine neuen zentralen Orte definiert sind – in der Region fordert man die Anerkennung von Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf als gemeinsames Mittelzentrum – werde das neue FAG die Region zum Verlierer machen. Die dann in Aussicht stehenden Zuschüsse „entsprechen nicht der Rolle der Region“, so Enser. Würde man beim Bedarfsansatz die Einwohnerzahl zu Grunde legen und eine Veredelung ab 5000 Einwohnern vornehmen, würden Stahnsdorf und Kleinmachnow zwar Sonderzuschüsse bekommen. Wesentlich größer jedoch wäre der Bonus, würde man die Region als ein gemeinsames Zentrum mit über 50 000 Einwohnern betrachten.

Sowohl die fehlende Berücksichtigung der Region als wirtschaftlichen Wachstumskern wie auch die angestrebte Finanzausstattung von Kleinmachnow und Stahnsdorf würden der Region nicht gerecht werden. Dabei sieht Enser das Land vor allem gegenüber Stahnsdorf besonders in der Pflicht für eine aktive Wirtschaftsförderung. Als vor sechs Jahren die Konditionen für die Nachtragsvereinbarung zwischen Stahnsdorf und der Treuhand abgeschlossen wurden und sich auf ein Preisnachlass für das viel zu teuer gekaufte Gewerbegebiet geeinigt wurde, saß das Land als Vertragspartner mit im Boot. Der verschuldeten Gemeinde drohte damals die Zwangsverwaltung – ein Fakt, den auch die Landesregierung zum Handeln zwang. Während sich die Gemeinde verpflichtete, die ausstehenden 14,57 Millionen Euro an die Treuhand zu zahlen, versprach das Land zur besseren Vermarktung des Gewerbegebietes den zügigen Bau der Landesstraße 77 neu. Zusammen mit der neuen L 40 würde diese Straße das Gewerbegebiet an das überregionale Verkehrsnetz anbinden. Doch noch gibt es dafür nicht einmal ein Planfeststellungsverfahren. „Damit sind Teile des Gewerbegebietes schlicht nicht vermarktbar“, ärgert sich Enser. Seine Gemeinde habe „im guten Glauben“ an die Zusagen des Landes ihren Teil erfüllt, nun erwartet er, „dass den Versprechungen endlich Priorität eingeräumt wird“. Die gegenwärtige Förder- und Finanzpolitik sei indes weit von den gemachten Zusagen entfernt.