Potsdamer Neueste Nachrichten 20.12.05

Politik fordert Spaßbad in Kleinmachnow

Kinder an die Macht: Projekt "Parteiengründung" an der Eigenherd-Grundschule

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - In Kleinmachnows Parteienlandschaft blühen die Visionen. Programmatisch neu aufgestellt streben sie den Bau eines neuen Gymnasiums mit Sporthalle, Theatersaal und Werkstätten an, skizzieren sie ein Spaßbad sowie neue Spielplätze, kündigen sie flächendeckend Tempo 30 an und verordnen ein stärkeres Vorgehen gegen Falschparker und Temposünder, um somit mehr Geld in die Gemeindekasse zu spülen.

Wer jetzt glaubt, die Ortspolitiker hätten jeglichen Realitätssinn verloren, kann aufatmen. Denn das, was man als reinsten Populismus abtun würde, sind Wahlversprechen von 12- und 13-jährigen. Im Unterricht der Politischen Bildung der Eigenherd-Grundschule stand in den vergangenen Wochen das Projekt „Parteiengründung“ auf dem Lehrplan, dessen Abschluss eine Wahlkundgebung und ein anschließender Urnengang bildeten.

Leicht gemacht haben es sich die Grundschüler mit ihren Wahlprogrammen nicht und doch zeigten sie, dass Politik herrlich einfach sein kann: In gerade mal einer halben Stunde hatten zwölf Parteien ihr Anliegen vorgetragen, um Stimmen geworben, sowie Wahlversprechen gemacht und dabei höflich vom politischen Gegner Applaus bekommen. Die „Freizeit Spiel Partei“ beeindruckte mit einer nachhaltigen Power-Point-Präsentation für einen Spielplatz. Der hat einen 10,50 Meter hohen Turm, eine 40 Meter lange Seilbahn, Brücken, innovative Schaukeln und einen klar definierten pädagogischen Auftrag: „Die Kinder sollen weg vom Fernseher!“ Errichtet werden soll der Spielplatz – das hat er mit ähnlichen Projekten anderer Parteien gemein – hinterm Rathausmarkt. Die Kosten verursachten bei Bürgermeister Wolfgang Blasig, der am vergangenen Freitag aufmerksamer Gast in der Eigenherd-Schule war, weiche Knie: 130 000 Euro will die „Freizeit Spiel Partei“ für den Spielplatz ausgeben.

Mit Interesse konnte Blasig registrieren, dass die gewählten programmatischen Schwerpunkte der Politik-Schüler nahezu identisch mit den tatsächlichen Prioritäten der Kleinmachnower Politik sind. Mehr Sicherheit auf den Straßen, mehr Bildung und mehr Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche waren die drei Themen der Wahlkundgebung. So mancher Gemeindevertreter hätte sich angesichts der Forderung nach Kreisverkehren, mehr Radwegen, Spielstraßen, Zebrastreifen und Tempo-30-Zonen im Bau- oder Verkehrsausschuss gewähnt. Bemerkenswert auch zu sehen, wie mit kindlicher Naivität so mancher real existierende Missstand angesprochen wird: „Viele Eltern schummeln, wenn sie ihre Kinder in der Schule anmelden“, brachte die Partei „Mehr Bildung in Kleinmachnow“ (MBK) schonungslos zur Sprache, dass sich etliche Kleinmachnower mit einer Nebenwohnung in Berlin registrieren lassen, um dort ihre Kinder zur Schule zu schicken. Daher will die MBK einen Anbau fürs Weinberg-Gymnasium, wobei der Finanzierungsvorschlag äußerst innovativ klingt: Die Eltern, die mehr Gymnasiumsplätze in Kleinmachnow wollen, sollen dafür in eine Spendenkasse einzahlen.

In dem dreiwöchigen Schulprojekt sollten die Sechstklässler demokratische Handlungsfähigkeiten entwickeln. Zudem sollten vielfältige Lernziele aus den Bereichen der Sach- und Methodenkompetenz sowie der sozialen und persönlichen Kompetenz bedient werden. Karen Korge als verantwortliche Lehrerin hofft, „dass die Erfahrung der Schüler selber Politik machen zu können, sich längerfristig einprägt, so dass sie auch später demokratische Prozesse aufmerksam und engagiert begleiten oder mitgestalten“.

Bislang ist das Interesse des 13-jährigen Maximilian Schoppa an der großen Politik nicht groß. „Ich verstehe nicht viel davon“, sagt der Vorsitzende der „Deutschen Verkehrspartei Kleinmachnow“. Auch Constantin Rödel hat mit der wirklichen Politik eher wenig im Sinn. Das TV-Duell zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel im vergangenen September fand er eher „lustig“. Vielleicht wächst Constantins Interesse mit der Erkenntnis, dass man mit Politik auch erfolgreich sein kann: Seine „Freizeit Spiel Partei“ mit der Spielplatzidee wurde mit 50 von 123 Stimmen überragender Wahlsieger.