Potsdamer Neueste Nachrichten 23.11.05

 

Wachstumskern ohne Förderung

Bei neuer Förderpolitik des Landes sind Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow nicht erste Wahl (23.11.05)

Von Peter Könnicke

Potsdam/Stahnsdorf - Beim künftigen Verteilen von Fördermitteln wird die Region Teltow nicht in der ersten Reihe stehen. In der gestern von der Landesregierung beschlossenen Liste künftiger Wachstumskerne im Land Brandenburg ist die Region nicht vertreten. Trotz zahlreicher Appelle der regionalen Politik sowie von Innenminister Jörg Schönbohm blieb die Region außen vor.

Mit der Definition der insgesamt 15 Wachstumskerne will das Land seine Förderpolitik neu justieren und künftig nur noch Städte und Regionen fördern, die sich durch ein überdurchschnittliches Wirtschafts- und Wissenschaftspotenzial auszeichnen und auf mindestens 20 000 Einwohner verweisen können.

Die Nichtberücksichtigung von Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf als gemeinsamer Standort stößt bei politischen Akteuren der Region auf Unverständnis und Kritik. Von einem „großen Fehler“ spricht der Kleinmachnower SPD-Landtagsabgeordnete Jens Klocksin. Die Region erfülle die geforderten Kriterien und habe die Voraussetzungen für eine dynamische Entwicklung. Der Verzicht auf die Region im künftigen wirtschaftlichen Gerüst Brandenburgs sei eine „Nicht-Wahl“ eines tatsächlich vorhandenen Wachstumskerns. Zwar räumt Klocksin selbstkritisch ein, dass eine aktuelle Übersicht über die regionale Leistungsstärke wie die Kaufkraftentwicklung oder die Zahl der Gewerbeeinheiten fehle und die Region daher Defizite bei der Außendarstellung hat. Andererseits beabsichtigt die Landesregierung bei ihrer Neuausrichtung der Förderpolitik, die Nutzung der Potenziale der Metropolenregion zu verbessern. Daher warnt Klocksin, die Region am Teltowkanal zu vernachlässigen, da sich gerade hier enge Verflechtungen mit Berlin ergeben. „Bislang“, so der Landespolitiker, „lasse die Auswahl der Wachstumskerne Klarheit und Transparenz vermissen.“

Ähnlich bewertet Stahnsdorfs CDU-Bürgermeister Gerhard Enser das Verfahren. Es sei falsch, Wachstumskerne zu benennen, ohne die geplante neue zentralörtliche Gliederung des Landes und die dafür notwendige Prüfung des Finanzausgleiches abgeschlossen zu haben. „Diesen Dreiklang kann man nicht aufbrechen“, befindet der Bürgermeister.

Auch für den Gemeindechef erfüllen die drei Kommunen gemeinsam die Kriterien, die einen Wirtschaftskern kennzeichnen sollen. Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow – von Enser gern zum wirtschaftlichen Ballungsraum KleiST zusammengefasst – „ist de facto ein Wirtschaftskern“. Informations- und Kommunikationstechnologie, Optik, Halbleiter- und Medizintechnik zitiert Enser als „nachgewiesene Kompetenzfelder“, die sich hier etabliert haben. Der Forschungsstandort Teltow-Seehof – zum Beispiel mit der Innovationsinitiative für Bioraffinerien – ist international anerkannt und hat eine lange Tradition. Mit 50 000 Einwohnern ist die Region eine der bevölkerungsreichsten in ganz Brandenburg. Es gehe also darum, das Potenzial der Region anzuerkennen und es durch die Förderung harter und weicher Standortfaktoren zu stabilisieren und auszubauen. Stattdessen würde das Land, setzt es seine angestrebte Förderpolitik konsequent um, in der Region geplante Vorhaben und Investitionen in Frage stellen oder neu bewerten. Dazu zählt Enser u.a. die Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf sowie die Stammbahn, die Landesstraße 77 oder auch das Freibad Kibietzberge, für dessen Sanierung Fördermittel benötigt werden.

Hauptziele bei der Bildung von Wachstumskernen sind laut der gestrigen Kabinettsitzung, die hohe Arbeitslosigkeit zu verringern und dem demographischen Wandel mit sinkenden Einwohnerzahlen zu begegnen. „Davon ist unsere Region kaum betroffen“, sagt Enser, insofern sei die Argumentation des Landes schlüssig und das südliche Berliner Umland tatsächlich nicht zu fördern. Der Satz „Stärken stärken“ allerdings sei angesichts der Nicht-Beachtung der starken Region nichts weiter als „eine Platitüde“.