Potsdamer Neueste Nachrichten 15.10.05

Vergessene Erinnerung

In Kleinmachnow soll ein "Ort des Erinnerns" entstehen – seit dem 8. Mai redet fast niemand mehr davon

Kleinmachnow - Was war das für ein Aufschrei in Kleinmachnow, als der CDU-Gemeindevertreter Fred Weigert in diesem Frühjahr den 8. Mai mehr als Tag der Eroberung als Tag der Befreiung interpretierte. Über „Rechtsextremismus“ ereiferte man bei der PDS. SPD-Fraktionschef Bernd Bültermann bedauerte den scheinbar grenzenlosen Interpretationsspielraum beim Umgang mit deutscher Geschichte. Vor allem aber wurde deutlich, dass man sich bis dato in der Gemeinde überhaupt wenig Gedanken gemacht hatte, wie in Kleinmachnow der 60. Jahrestag des Kriegsendes begangen werden soll.

Dabei hätte sich der Standort des einstigen Fremdarbeiterlager der Dreilinden Maschinenbau-Fabrik am Stahnsdorfer Damm angeboten, am 8. Mai zur Stätte des Gedenkens zu werden. Seit über zwei Jahren ist auf den Fundamenten zweier Lagerbaracken ein „Ort des Erinnerns“ geplant. Doch konnte man sich nicht rechtzeitig über den Text für eine Gedenktafel verständigen, so dass eine Einweihung, die dem Ort und dem Anlass würdig und angemessen ist, zum 8. Mai nicht mehr möglich war. Im April hieß es dann: Anfang Juli wird die Erinnerungsstätte fertig sein.

Längst ist der kommunalpolitische Alltag wieder ins Ortsparlament eingezogen. Der in die Kritik geratene Weigert nutzt die Chance, sich als der untadeliger Demokrat zu beweisen, als den ihn seine Parteifreunde verteidigten: Er nimmt seine Verantwortung als Mandatsträger wahr, indem er vor allem seine Kompetenz als Architekt für die Ortsentwicklung einbringt, sich für eine verträgliche Entwicklung der Kiebitzberge und des Seebergs engagiert. Doch von der Vehemenz der Kritik und von der Bedeutung, die man dem 60. Jahrestag der Befreiung beimaß, ist nicht viel übrig geblieben, wenn es um den „Ort des Erinnerns“ geht. Einen Text für die Tafel, der über die Geschichte des Ortes informieren soll, gibt es noch immer nicht. Einen Termin, wann die von Landschaftsarchitekten angelegte und seit Monaten fertig gestellte Erinnerungsstätte eingeweiht und somit ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird, weiß niemand zu nennen. Das Anliegen ist in den Hintergrund geraten. Jedenfalls gab es in keinem Gremium des Ortsparlamentes in den vergangenen Wochen eine Nachfrage zu dem Thema, das im Vorfeld des 8. Mai so leidenschaftlich diskutiert wurde. „Es scheint nicht oben auf der Agenda zu stehen“, räumt CDU-Gemeindevertreter Guido Beermann ein. Er kenne keine neue Initiative, so der Vorsitzende des Kulturausschusses. Beermann hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es für die Tafel-Inschrift einen breiten Konsens geben müsse und Schnellschüsse für eine Einweihungszeremonie nicht angebracht seien. Er kritisierte zudem, Auftragsvergabe und Kostenübernahme für die Erinnerungsstätte seien nicht transparent. Die PRO-Abgeordnete Viktoria Brammer warf ihm daraufhin „Erbsenzählerei“ vor und SPD-Fraktionschef Bültermann monierte unnötigen Formalismus. Zu anschaulichen Ergebnissen führten diese Einwände bislang nicht.

„Betrübt und zerknirscht“ macht es Rudolf Mach, „dass sich der Vorgang so lange hinzieht.“ Der Vorsitzende des Heimatvereins hat umfangreich zur Geschichte der Dreilinden Maschinenbau-Anstalt und des Fremdarbeiterlagers recherchiert und maßgeblich Impulse für den „Ort des Erinnerns“ gegeben. Er war es jedoch auch, der im Frühjahr von einer eiligen Einweihung – etwa am 8. Mai – ohne Zeitzeugen abriet, weil für die notwendige Vorbereitung die Zeit nicht mehr gereicht hätte. Dass seitdem nichts passiert sei, ist „ein Armutszeugnis“, beklagt Mach.

Immerhin hat inzwischen die Gemeindeverwaltung den Historiker Manfred Görtemaker und die Autorin Angela Martin gebeten, sich mit dem Text für die Informationstafel zu beschäftigen. Martin berichtet in dem Buch „Ich sah den Namen Bosch“ über das Leben ehemaliger polnischer KZ-Häftlinge in dem Lager am Stahnsdorfer Damm. Görtemaker, Geschichtsprofessor an der Potsdamer Universität, war Gastredner der Kleinmachnower Gedenkveranstaltung zum 8. Mai. Anfang kommendes Jahres, so heißt es nun, soll der „Ort des Erinnerns“ feierlich eingeweiht werden. Peter Könnicke