Potsdamer Neueste Nachrichten 19.08.05

Trotz Urteil lange kein Rechtsfrieden

Nach Ablehnung der Restitutionsansprüche droht in der Sommerfeld-Siedlung noch jahrelanger Streit

Von Peter Könnicke

Potsdam/Kleinmachnow - „Die Klage wird abgewiesen.“ Das soeben von Richter Wilfried Hamm gefällte Urteil für lediglich einen Fall im größten noch offenen Vermögensrechtsstreit in Deutschland gilt als richtungsweisend. In noch etwa 600 Fällen wird in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung um die Rückgabe früheren jüdischen Immobilieneigentums gestritten. Zugeschlagen kann die Akte jedoch noch lange nicht: Der Berliner Unternehmer Christian Meyer, der auf die Rückübertragung hunderter Grundstücke im Sommerfeld-Karree klagt, wiederholte seine Ankündigung, „durch alle Instanzen zu gehen“.

Mit ihrem Urteil gab die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts erstmals eine Antwort auf die Frage, was mit Grundstücken der ehemaligen Siedlungsgesellschaft des jüdischen Bauunternehmers Adolf Sommerfeld passiert, nachdem die Firma arisiert worden war. Unter dem Verfolgungsdruck der Nationalsozialisten ging das Unternehmen von Sommerfeld im April 1933 zunächst faktisch, später auch de jure in eine Gesellschaft des Dritten Reiches über. In ihrem Urteilsspruch stützten sich die Richter auf die wichtige Unterscheidung, die das deutsche Vermögensrecht macht: Zwar bekommen Unternehmen, die zwischen 1933 und 1945 geschädigt worden sind, ihren Besitz zurück, doch gibt es eine Sonderregelung bei Firmen, deren Geschäftszweck der Verkauf von Grundstücken war. Diese schließt einen Anspruch auf Rückübertragung aus für Firmen, die eigens dafür existierten, Grundstücke zu verkaufen. Sommerfeld wurde nach dem Krieg dafür entschädigt, dass ihm sein Unternehmen entrissen wurde, nicht aber für die Grundstücke, die nach der Arisierung die Nazis verkauften. Begründet wird dieser Ausschluss der Rückübertragung mit dem Schutz der Siedler, die die Grundstücke im guten Glauben kauften und deren Erben noch heute in der Kleinmachnower Siedlung leben.

Leicht gemacht haben sich die Potsdamer Richter ihre Entscheidung allerdings nicht. Schon vor zwei Jahren bei der ersten Verhandlung zum dem konkreten Fall hegte die Kammer Zweifel, ob die entsprechende Passage imVermögensrecht auch im Einklang mit der Verfassung steht oder gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz verstößt. Denn die Potsdamer Richter messen der Argumentation des Klägers durchaus Gewicht bei: Meyer hält seine Rückübertragungsansprüche deshalb für berechtigt, weil Sommerfeld sein Betriebsvermögen genauso wie seinen Privatbesitz aufgrund des Verfolgungsdrucks der Nazis verloren hat. Es sei eine Ungleichbehandlung, wenn das eine als wieder gut zu machendes Unrecht gesehen wird, das andere aber nicht. Letztlich jedoch hielt das Gericht gestern seine ursprünglichen Bedenken für nicht durchschlagend. Hingegen wertete es den Schutz und die Interessen der heutigen Grundstücksnutzer als so massiv, dass zu deren Seite „das Pendel leicht ausschlug“, wie der Vorsitzende Richter Wilfried Hamm das Urteil begründete.

Für Meyer, der 1997 von der Jewish Claims Conference die Ansprüche auf das Sommerfeld’sche Betriebsvermögen übernahm und vom Gericht als legitimer Kläger anerkannt wird, sei das Urteil keine Überraschung. „Doch jedem sollte klar sein, dass noch lange keine Ruhe einzieht“, adressiert er seine unmissverständliche Botschaft in die Sommerfeld-Siedlung. Er werde über das Bundesverfassungsgericht bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. Daher bedeutet das gestrige Urteil noch lange keinen Rechtsfrieden im Sommerfeld-Karree. Die heutigen Eigentümer werden noch immer keine Kredite für notwendige Baumaßnahmen bekommen und weiterhin Schwierigkeiten haben, ihr restitutionsbelastetes Grundstück zu verkaufen. Es sei denn, sie vergleichen sich mit Meyer. Doch das hat seinen Preis.