Potsdamer Neueste Nachrichten 10.05.05

Dreißig Jahre Warten auf die Premiere Regisseur Konrad Petzold wäre jetzt 75 geworden

Kleinmachnow -  Den Herren der DEFA-Chefetage erschien einst eine Wolke sehr verdächtig, denn sie ähnelte dem Nikita Chruschtschow. Die Wolke entstammte einer Zeichentrick-Szene aus dem Film „Das Kleid“, zu dem die Dreharbeiten im Juni 1961 begonnen hatten. Mit aufgeblasenen Pausbacken sorgte die Filmwolke für frischen Wind. Auch der Wind der sowjetischen Kulturpolitik drehte sich zu jener Zeit öfter, was Regisseur Konrad Petzold und Szenarist Egon Günther schon bei der ersten Abnahme des Films zu spüren bekamen. Denn die Wolke blieb nicht das einzige, was den Zensoren suspekt erschien.

Der Film war eine Adaption des Andersen-Märchens „Des Kaisers neue Kleider“ und voller Anspielungen über ein Land, in dem angeblich Milch und Honig fließen. Schon die erste Szene empfand die Abnahme-Kommission als Provokation, wenige Tage nach dem Mauerbau. Denn zu Beginn des Films stehen zwei Wanderer mitten in der Landschaft vor einem monströsen Bauwerk, das sie kommentieren: „Das ist die Mauer, die quer durchgeht. Dahinter liegt die Stadt und das Glück.“ Deshalb möchten die Beiden in die Stadt, werden aber von einem Wachposten abgewiesen. Der gleicht mit seinen Schnauzbart verblüffend Stalin, weshalb die Zensur forderte, auch diese Szene zu schneiden. Insgesamt sollte eine Viertelstunde zensiert werden.

Der Streit zwischen Behörden und Filmmachern spitzte sich weiter zu, am Ende wurde der Film ganz verboten. Erst 30 Jahre später erlebte er seine Premiere im Berliner Kino Babylon. Da hatte die Zeitgeschichte bereits das Ende des Films vorweggenommen: Der tyrannische Kaiser trägt auf einer Parade ein neues Gewand, das nur wirklich treu ergebene Beamte sehen können. Weil er nicht zugeben will, dass er nichts sieht, präsentiert er sich und seinen Hofstaat nackt - und ist blamiert. Der Film „Das Kleid“, entstanden zwischen Tauwetter und neuer Eiszeit, gehört zu den ersten Verbotsfilmen, die als Beleg für den kurzen Frühling der DEFA dienen und an dessen Endpunkt der Kulturkahlschlag durch das 11. Plenum 1965 stand.

Der Kleinmachnower Regisseur Konrad Petzold, der 1999 verstarb, wäre am vor kurzem 75 Jahre alt geworden. Sein Kameramann, Siegfried Hönicke erinnert sich, dass sie noch lange Hoffnungen hegten auf eine Aufführung. „Das Kleid“ sei kein Kinderfilm, wie oft behauptet. „Für Konny wäre es der Sprung zum Erwachsenenfilm geworden“, ist Hönicke überzeugt. Petzold, der bis dahin als Kinderfilmregisseur galt, holte den Sprung später nach mit Filmen wie „For eyes only“. Große Erfolge wurden auch seine Indianerfilme. Zwischendurch drehte er auch Fernsehfilme, u.a. mit der Kleinmachnower Schauspielerin Agnes Kraus.

Nach der Wende entdeckte der Regisseur, dass noch 135 Büchsen Negativmaterial von „Das Kleid“ im Staatlichen Filmarchiv lagen. "Wir hatten angenommen alles sei vernichtet, aber da der Film tiefgefroren war, gab es nur einige unbedeutende Schrumpfungen“, berichtet Hönicke. Trotzdem sei das einstige Filmverbot, bis zu seinem Tode, für Konrad Petzold ein Trauma geblieben, weiß Hönicke und vermutet: „Ohne dieses Verbot wäre vielleicht auch sein Schaffensweg anders verlaufen.“ Kirsten Graulich

„Das Kleid“ heute 0.05 Uhr im MDR.