Potsdamer Neueste Nachrichten 01.04.05

Sie teilen Tisch und Bett und Feder

Die Jankowiaks aus Kleinmachnow graben gemeinsam Geschichten aus der Region aus und schreiben sie in Büchern nieder

Von Kirsten Graulich

Kleinmachnow - Es war Anfang der 90er Jahre, da dachten sich Christa und Johannes Jankowiak, dass es noch genug zu entdecken gebe, was Fontane nicht gesehen hat. Also fuhren sie in den Fläming. Das stille Land, das der märkische Wanderer bei seinen Reisen aussparte, offenbart sich nicht auf den ersten Blick. Das Kleinmachnower Paar ließ sich Zeit und lauschte den leisen Tönen des Landstriches zwischen Görzke und Dahme, Baruther Urstromtal und Wittenberg. Vor allem hörten sie den Menschen zu, meist älteren, vorrangig Pastoren und pensionierten Lehrern. Die befassen sich zumeist mehr als andere mit Geschichte, wissen Jankowiaks und erfuhren so vieles, was sie später in ihren Büchern niederschrieben. Eines davon erschien kürzlich als Neuauflage im Militzke Verlag unter dem Titel „Wanderungen durch den Fläming“.

Gute Quellen sind für Jankowiaks ebenso alte Kirchenbücher, in denen sie dann stundenlang blättern. Oft kam es auch schon vor, dass man ihnen für ihre Recherchen die Kirchenschlüssel überließ. Besonders Christa Jankowiak amüsiert das: „Dieses bedenkenlose Vertrauen muss wohl an unseren Gesichtern liegen.“

Gereist ist das Autorenduo schon in den Jahren zuvor, vor allem nach Polen und in die ehemalige Sowjetunion. Damals arbeiteten sie noch als Übersetzer, später schrieben sie eigene Bücher. Reisen und Schreiben füllt noch heute das Leben der 77-Jährigen und des 93-Jährigen aus, die Entdeckerneugier hält jung. „Das Schönste ist, wenn die Leute langsam auftauen“, berichtet Johannes Jankowiak und verrät, dass bei Männern oftmals eine Zigarre hilft. Und manchmal komme es vor, dass drei Personen zu einer Sache drei verschiedene Versionen erzählten. Auch das richtige Stichwort bringe die Leute bisweilen zum Sprechen. Auf einer Landstraße trafen sie mal einen alten Mann und beiläufig fiel im Gespräch der Name August Kraus. „O ja“, sagte der Alte und seine Augen leuchteten, „den kenn' ich noch. Als Schuljungen sind wir dem hinterhergelaufen“. Und dann erinnerte er sich, wie sie als Kinder johlten, wenn der Landstreicher und berüchtigte Wilddieb durch die Straßen zog: „August Krausen mit die vielen Lausen!“ Die Geschichte von August Kraus hat das Autorenduo aufgeschrieben, ebenso die alten Sagen aus dem Fläming, die sie im Band „Lüchtermännchen“ (Kinderbuchverlag 1992) erzählen. Da waberten Geheimnisse im Hochmoor und der Wasserheide, vor denen sich die Leute einst fürchteten. Aber diese Irrlichter regten auch ihre Fantasie an und manche Legende ist heute noch Anlass für Rätsel. Beispielsweise der hohe Grabstein auf dem Dorffriedhof in Wiepersdorf. „Dort ruht der Förster a.D. August Zieckert, genannt Wolf. Auffällig sind seine Lebensdaten 16.1.1820 bis 19.11.1920.", schreiben die Autoren in ihrem neuesten Band „Brandenburger Kaleidoskop“ (Magenow-Verlag 2004). Nicht nur die hundert Lebensjahre machen ihn zu etwas Besonderem, auch der Beiname Wolf, über den viel spekuliert wird. Manche sehen darin einen Hinweis auf das Rotkäppchen-Märchen und sind überzeugt, dass die alte Försterei einst das Haus von Rotkäppchens Großmutter war. Doch Jankowiaks haben recherchiert, dass dieses Märchen den Gebrüdern Grimm von Marie Hassenpflug erzählt wurde, einer Bürgersfrau hugenottischer Abstammung, die 1788 nach Kassel gezogen war. Trotzdem sei dem Rotkäppchen von Wiepersdorf ein gewisses Heimatrecht nicht abzusprechen. Einer der Brüder Grimm, Ludwig Emil, schuf sieben Kupferstiche für die Märchenausgabe von 1825. Darauf trägt Rotkäppchen die Kindertracht des Flämings: ein weißes Hemd, schwarzes Mieder, roten Rock und weiße Schürze. Das Forsthaus im Hintergrund ähnelt dem in Wiepersdorf sehr. Die Anregung dazu rührt wahrscheinlich von einem Besuch Ludwig Emils bei Achim von Arnim her, mit dem die Brüder Grimm befreundet waren.

Im letzten Winter hat das Autorenduo eine Liste mit Ortsnamen aus der Uckermark und Prignitz zusammengestellt. Durchgangsorte für die meisten nur, für Christa und Johannes Jankowiak sind es Fixpunkte, an denen sie nach bisher unentdeckten Geschichten suchen werden.