Potsdamer Neueste Nachrichten 13.12.04

Die Geste hinter dem Geld

Wie Entschädigung für Zwangsarbeit ankommt

Kleinmachnow - Späte Zeiten – späte Sühne: 55 Jahre nach Kriegsende entschlossen sich die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft, Zwangsarbeitern und anderen NS-Opfern aus der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ eine Entschädigung von 5 Milliarden Euro zu zahlen. Erwiesen sich Erfassung, Prüfung und letztlich Auszahlung der Mittel als logistische Herausforderung, so wurde bald klar, dass längst nicht alle Betroffene erreichbar waren.

Besonders in der ehemaligen Sowjetunion fehlen oft die Nachweise. Man hatte sie aus Furcht vor Stalin meistens vernichtet, er schickte ja KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter wegen „Kollaboration“ gleich nach ihrer Rückkehr in sibirische Arbeitslager. Fehlende oder unzureichende Anträge, Menschen, die in ihren Heimatländern für die Nazis schuften mussten, versteckt lebende Juden und Roma fallen genauso durch das Regelwerk wie die große Zahl von Kriegsgefangenen, welche das geltende Völkerrecht geradezu verpflichtete, für die Sieger zu arbeiten. Immerhin hielten diese Arbeitssklaven 1944 etwa 25 Prozent der deutschen Wirtschaft in Gang.

Wo „bei tickender Uhr“ so viele leer ausgehen, ist „Bürgerinitiative“ gefragt. Zusammen mit seinem gleichnamigen, russischen Partner will der Verein „Kontakte“ diese Lücke schließen. Noch vor 1989 „im Taumel der Perestroika“ in Westberlin gegründet, brachte er bisher mehr als eine halbe Million Euro an besonders notleidende Empfänger nach Osteuropa, wo das soziale Elend am größten ist. Die Finanzierung erfolgt über den von Prominenten unterstützten Aufruf, einen Tagessatz seines Einkommens für jene zu spenden, die aus rechtlichen Gründen nichts von der Bundesstiftung erhalten.

Am Freitag warb „Kontakte“ mit dem Heimatverein Kleinmachnow in der Biologischen Bundesanstalt am Stahnsdorfer Damm in eigener Sache vor Ort, denn die hier ansässige „Dreilinden-Maschinenbau GmbH“, eine Tochterfirma von Bosch, beschäftigte zwischen 1941 und 1945 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge aus Ravensbrück zur Herstellung von Flugzeug-Motorenteilen. Erst vor zwei Jahren wurden die 20 Baracken abgerissen. Dieser „vergessenen NS-Opfer“ gedenkend, will die Gemeinde zwei Fundamente zur Mahnung und Erinnerung erhalten. Auch eine gut sichtbare Erinnerungstafel am Eingangstor ist geplant.

Die prominent besetzte Veranstaltung stand unter dem Motto „Brandenburg hilft ehemaligen NS-Zwangsarbeitern in Osteuropa“: Landtagspräsident Gunter Fritsch versprach, den Gedanken „zu multiplizieren“, Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm leitete den zweistündigen Abend, Hans Otto Bräutigam, Ex-Justizminister und Chef der Bundesstiftung, redete lange über Sorgen und Erfolge bei der Umsetzung des Regierungsprogramms, das auch mit Kontroll-Mechanismen vor Ort operiert. Man will ja wissen, ob die Gelder – in Osteuropa typischen Verluste auf dem Wege abgerechnet – auch wirklich ankämen. Ein Problem, denn in einem ukrainischen Dorf sind alle gleich arm, bis die Zuwendung aus Deutschland eintrifft. 300 Euro machen einen Ukrainer zum Reichen – ein „Bröckeln der Gemeindestrukturen“ ist oftmals die Folge. Deshalb sei es so wichtig, „die Geste hinter dem Geld deutlich zu machen“. Dankbarkeit für die Anerkennung als NS-Opfer schlug den Vereinsmitgliedern jedenfalls überall von Estland bis Armenien entgegen.

Wie es sich mit den deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion verhält, konnte Bräutigam nur vermuten. Vielleicht deshalb wurden die von der Wehrmacht Festgesetzten (4 Millionen) von Entschädigungen ausgenommen.