Potsdamer Neueste Nachrichten 30.10.04
"Geist der Rücksichtslosigkeit"
Gericht nennt Ex-Hakeburg-Betreiber Rösch und seinen Manager
"außerordentlich skrupellos"
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Er werde nie wieder wirtschaftlich tätig werden. Das letzte Wort
von Klaus W. Rösch im Hakeburg-Prozess würdigte Richterin Ulrike
Phieler-Morbach als „guten Vorsatz“. Am Urteil hat das Versprechen des
Angeklagten nichts geändert: Zwei Jahre und neun Monate muss der ehemalige
FDP-Bundestagsabgeordnete hinter Gitter, weil er in seiner einjährigen
Herrschaft über die Hakeburg das renommierte Gästehaus vorsätzlich in den Ruin
getrieben hat, mit „hoher krimineller Energie“ agierte und sich „rücksichtslos
über die Interessen und das Vertrauen von Gläubigern hinwegsetzte“.
Das Urteil ist der harte Aufprall einer
einst schillernden Figur, die vom fränkischen Kaufmannsgehilfen zum
schwäbischen Bundespolitiker aufstieg, blendende Kontakte zur High Society
fand, sich zu „Großem berufen fühlte“, wie Rösch selbst sagt. Er ist ein
„übersteigerter Phantast“, beschrieb Anwalt Peter Müller seinen Mandanten, der
gestern vergeblich um Bewährung bettelte. Obwohl aufgrund seines von Reue
getragenen Geständnisses das Verfahren in vielen der ursprünglich 70
Anklagepunkte eingestellt wurde, sind die Vergehen immens: Das Gericht schickt
Rösch wegen besonders schweren Betruges in zwei Fällen, einfachen Betruges in
zehn Fällen, vorsätzlicher Konkursverschleppung und Unterschlagung ins
Gefängnis. „Außerordentlich skrupellos“ habe sich Rösch gegenüber Mitarbeitern,
Geschäftspartnern und Lieferanten als Generalbevollmächtigter der Hakeburg
verhalten und in dem einen Jahr seines Wirkens am Machnower See – von 1997 bis
1998 – ein „unseriöses und betrügerisches Geschäftsgebahren“ an den Tag gelegt.
Das Ergebnis sind fast 800 000 Euro nicht gezahlter Sozialabgaben und Löhne,
offener Pacht und Rechnungen. Unter den Geprellten sind die Telekom, von der
Rösch im Frühjahr 1997 die Hakeburg pachtete, Baufirmen, Kaufhäuser, kleine
Händler und Lieferanten.
Röschs Anwalt sah es in seinem Plädoyer als strafmildernden Umstand, dass einer
der Hauptgeschädigten ein mehrfacher Millionär ist, den Rösch um 280000 Mark
erleichterte, was für den reichen Geschäftsmann kein „spürbarer Verlust“ sei.
Rösch hatte dem wohlhabenden Geschäftspartner das Geld abgeschwindelt, indem er
vortäuschte, die Hakeburg zu kaufen. In Wirklichkeit erwarb Rösch lediglich die
Anteile der damaligen Betreibergesellschaft. Dass es sich bei dem Geldgeber um
einen Millionär handelt, habe Röschs „Hemmschwelle herabgesetzt“. Als
strafmildernd konnte das vom Gericht nicht gesehen werden. Im Gegenteil: Die
vielen Gläubiger, darunter zahlreiche wenig bemittelte Betroffene aus
Kleinmachnow, Teltow, Stahnsdorf „werden von ihrem Geld nichts mehr sehen“,
verdeutlichte die Richterin die Tragweite von Röschs schuldhaftem Tun. Als
„zielgerichtetes Vorgehen und planmäßiges Verschleiern“, bezeichnete es
Staatsanwalt Netz. Denn Rösch habe von Beginn an gewusst, dass er weder Pacht
noch Rechnungen bezahlen kann. Obwohl frühzeitig zu erkennen war, dass die
Hakeburg-Gesellschaft pleite war, hat er bewusst den Gang zum Insolvenzgericht
vermieden – „in bekannter Manier“, wie das Gericht betont, denn in Röschs
Sündenkartei haben sich seit 20 Jahren über ein Dutzend Richtersprüche wegen
Betruges und Konkursverschleppung angesammelt.
Dass Rösch seiner Verantwortung nicht gerecht werden konnte, weil ihn
krankhafte Depressionen zur Untätigkeit zwangen, dass er wegen
Selbstüberschätzung die Kontrolle verlor, weil er manisch sei, schloss das
Gericht aus. Zu seiner Verteidigung hatte Rösch zu Prozessauftakt vorgebracht,
er leide an manischen Depressionen. Die vom Gericht bestellte Psychiaterin
Cordula Weitzel konnte bei Rösch keinen krankhaft manischen oder depressiven Zustand
feststellen. Selbst in Gesprächen mit der Psychiaterin habe er sich mit „seiner
Schokoladenseite“ verkauft. „Ich bin ein Mann fürs Große“, habe Rösch der
Gutachterin erklärt und sich mit Goethe verglichen. Doch beruhen diese
unrealistischen Einschätzungen und der Hang zum Größenwahn nicht auf
krankheitsbedingten Einschränkungen: „Es ist Röschs Charakter“, so Weitzel. Und
selbst sein Anwalt resümiert am Ende einer gescheiterten Karriere: „Rösch war
immer voller Ideen, aber ohne Kapital.“
„Vom Geist der Rücksichtslosigkeit“ genauso erfasst wie Rösch sah das Gericht
den Mitangeklagten Dirk A. Dietzel. Als Geschäftsführer der Hakeburg habe er
sich über Monate an dem skrupellosen „Geschäftsgebahren“ beteiligt und die
offensichtliche Insolvenz verschleppt. Dietzel, der erst vor wenigen Tagen
wegen eines anderen Betrugsdelikts verurteilt wurde – er ergaunerte von einem
Geschäftspartner 25 000 Mark – muss sich die kommenden 15 Monate bewähren.
Am Kleinmachnower Seeberg lastet die einjährige Episode indes noch immer schwer
auf der Hakeburg, die der Volksmund seither „Pleiteburg“ nennt. 1908 hatte die
Adelsfamilie Hake dort ihren Wohnsitz bezogen, 1937 machte sie
Reichspostminister Ohnesorge zu seinem Domizil. Zu DDR-Zeiten beherbergte sie
Staatsgrößen wie Castro und Arafat. Seit nunmehr sechs Jahren steht das
repräsentative Haus leer.