Potsdamer Neueste Nachrichten 21.09.04

 

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Im Frühjahr galt er als weitgehend unbekannt. Nun besiegte Sozialdemokrat Jens Klocksin im Landtagswahlduell Jörg Schönbohm

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Es war eine Stunde vor Mitternacht, als Jörg Schönbohm doch noch einen Sieg einfuhr. In Kleinmachnow, seinem Heimatort, hatte er gewonnen. Den Wahlkreis aber, und somit den Kampf ums Direktmandat, hatte der Innenminister verloren. Festen Schrittes ging er auf seinen Konkurrenten Jens Klocksin zu und reichte dem Sozialdemokraten zur Gratulation die Hand.

Der Sonntagabend im Kleinmachnower Sportforum lebte von der Spannung dieses Duells. Während früh klar war, dass die SPD auch am Teltowkanal und in Nuthetal als stärkste politische Kraft aus dieser Landtagswahl hervorgehen wird, lieferten sich Klocksin und Schönbohm ein Rennen Kopf an Kopf. Am Ende hatte es Schönbohm neben dem Abrutschen seiner Partei als zweite Niederlage zu verkraften, dass er es als Spitzenkandidat der märkischen CDU nach 1999 erneut nicht geschafft hat, im eigenen Wahlkreis zu gewinnen. Da konnte es ihn nicht trösten, als CDU-Bürgermeister Gerhard Enser stolz kundtat, dass auch in Stahnsdorf Klocksin geschlagen wurde. Mit bittersüßem Lächeln ließ Schönbohm die Präsentation über sich ergehen.

So dynamisch Klocksin seinen Wahlkampf führte, so präsentierte er sich am Zieleinlauf im Sportforum: in Jeans und Nike-Turnschuhen. Rasant zog er in den vergangenen Monaten durch seinen Wahlkreis, um sich selbst im letzten Zipfel – in Philippsthal und Nudow – vorzustellen. Nachdem in der Potsdamer SPD-Zentrale noch im Frühjahr taktiert wurde, ob man im Direktduell gegen das politische Schwergewicht Schönbohm besser Sozialminister Günter Baaske oder Bildungsminister Steffen Reiche ins Rennen schickt und letztlich die sozialdemokratische Basis aufmüpfig Klocksin aus den eigenen Reihen nominierte, setzte der Kleinmachnower zur Aufholjagd an. Denn sein Bekanntheitsgrad war gemessen an Schönbohm sowie dem Kleinmachnower Linkssozialisten Klaus-Jürgen Warnick gering. Zur Kommunalwahl im vorigen Herbst bekam Klocksin – seit 1999 in Kleinmachnow – 420 Stimmen. Genug für den Einzug ins Gemeindeparlament, im Vergleich zu den über 1100 Kreuzen für Warnick jedoch ein deutliches Zeichen mangelnder Bekanntheit. Noch vorgestern Abend meinte Thomas Singer von der örtlichen PDS: „Klocksin hatte ich überhaupt nicht auf meiner Liste“.

Doch versteht der sein Handwerk – der 47-Jährige hat Politologie und Philosophie studiert und verfügt als Referatsleiter im Bundesministerium für Aufbau Ost über beste Kenntnisse. Zudem hat er rhetorisches Talent. „Es gibt keine Alternative zum Gespräch mit den Menschen“, machte Klocksin im Februar aus seiner Wahlkampftaktik kein Geheimnis. Er lud zu Bürgersprechstunden nach Nudow, suchte vorm kleinsten Dorfkonsum Kontakt mit Politikverdrossenen, diskutierte an Infoständen über Umgehungsstraßen und Hartz IV. Klocksin machte Boden gut, atemlos bekannte er Sonntagabend: „Das war kein Spaziergang“.

Währenddessen rieb sich Schönbohm als CDU-Landeschef auf dem großen märkischen Gefechtsfeld. Warnick blieb verhalten, FDP-Kandidat Hans-Peter Goetz aus Teltow ohne Akzente. Und Grünen-Spitzenkandidatin Behm musste sich am Wahlabend erklären lassen, zu leise und zu zaghaft zu sein. Die grünen Wahlkampfthesen „Ökologisch modernisieren. Zukunftsfähig bilden. Selbstbestimmt leben.“ blieben zu abstrakt, obwohl sie selbst „ein gutes Gefühl“ hatte, wie Behm sagt. Am Ende blieb nur „tiefe Enttäuschung“. Allein, dass die Grünen in Kleinmachnow bei den Zweitstimmen mit über zwölf Prozent gegenüber 1999 die meisten Zuwächse verbuchen und ihre Stimmen verdoppeln konnten, registrierte sie mit Genugtuung. Fast hätten die Grünen in Kleinmachnow die PDS eingeholt, die auf 15,2 Prozent kam. Dass Kleinmachnow beim Höhenflug der Linkssozialisten außerhalb der Flugroute liegt, ließ vor allem den PDS-Altvorderen Harry Hartig böse fluchen.

Die Wahl am Sonntag hat eine Tradition bestätigt: Die Region Teltow gilt als sicheres Terrain für die Sozialdemokratie. Zwar musste die SPD auch hier Verluste hinnehmen, doch lag sie mit allein 37,7 Prozent in Teltow deutlich über dem Landesdurchschnitt. Aber auch die Einbußen der CDU sind bei weitem nicht so groß wie im Landestrend. 27 Prozent in Kleinmachnow sprechen für einen starken Ortsverband und eine solide Wählerschaft. Die PDS hingegen hat bis auf Nuthetal gegenüber 1999 in Stahnsdorf und Teltow leicht, in Kleinmachnow sogar 10 Prozent verloren, so dass sie am Teltowkanal – gar nicht landestypisch – mit dem dritten Platz vorlieb nehmen muss.

Es wurde ein langer Abend der Analysen und Vorausschau im Kleinmachnower Sportforum. Stahnsdorfs Bürgermeister Enser, der im Vorjahr die Christdemokraten seines Ortes zu einem deutlichen Kommunalwahlsieg führte, sah sich in seiner frühen Kritik an der Strategie seiner Landespartei bestätigt. Die CDU hätte nicht allein mit Schönbohm werben dürfen, nachdem Umfragen im Frühsommer Regierungschef Matthias Platzeck eindeutig als Sympathieträger der Märker abbildeten. Auch Guido Beermann sieht „viel Diskussionsbedarf“ für seine CDU. Zudem sorgt er sich mit seinem Parteifreund Wolfgang Nieter um die Zukunft der regionalen Bildungslandschaft: Nieter und Beermann sind vehemente Befürworter einer dritten Grundschule in Kleinmachnow und für mehr Gymnasiumsplätze in der Region. Die schulpolitischen Ansätze der PDS sind mit den Vorstellungen der CDU alles andere als deckungsgleich. Bei Rot-Rot sieht Beermann schwarz …

Bei Rotwein und Bier haben die Christdemokraten Schönbohm am Stehtisch in ihre Mitte genommen. Vielleicht haben sie ihn aufgemuntert, dass hier „die Wähler den Weg für eine Große Koalition bereitet“ hätten, wie Gerhard Enser meint. „Die darf es aber nicht zu Lasten der Identität der CDU geben.“

Der Wahlsieger hält es in dieser Frage gelassen und mit seinem Parteichef Platzeck: Zu seinen Präferenzen der künftigen Regierungsfarbe wollte sich Klocksin nicht äußern. Auch das spätabendliche Scheinwerferlicht ließ keine Vorahnung zu: Es schien gelb, blau und rot.