Potsdamer Neueste Nachrichten 28.08.04

Folgenreiche Funkstille

Demonstration in Kleinmachnow gegen UMTS-Sendemast – vor allem aber gegen das Gefühl, außen vor gelassen zu werden

Kleinmachnow - Er ist die Lunge Kleinmachnows, die Frischluftschneise des Ortes, das grüne Bindeglied zwischen dem Dreilindener Forst und Berliner Grunewald: der Bannwald. Auf drei Kilometern Länge zieht er sich wie ein grünes Band durch den Ort. Und in regelmäßigen Abständen heben Mahner den Zeigefinger, die Oase nicht zu zerstören, damit aufzuhören, den Saum Stück für Stück zu beschneiden.

Nun habe die Bäume des Bannwaldes Gesellschaft bekommen: 36 Meter hoch thront ein Mobilfunkmast über den Wipfeln. Ausgerechnet in Kleinmnachow, wo Allianzen und Initiativen gegen zu viel Verkehr, zu massive Bauten, unsichere Schulwege und unsinnige Projekte wie Pilze aus der Erde schießen. Hier, wo ein falsch geparktes Auto ein Frontalangriff auf die Lebensqualität ist, hat man versucht, so unbemerkt wie möglich einen Stahlmasten zu platzieren – mitten in den Bannwald, keine 50 Meter von der Anwohnerschaft entfernt. Wo streng vorgeschrieben ist, wie hoch Zäune sein und Dächer aussehen sollen, steht plötzlich ein stählernder Riese, der hochfrequente Impulse empfängt.

Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. Noch bevor der Funkmast in die Höhe schoss, waren die Signale deutlich: Skandal, Frechheit, Täuschung tönte es aus der Anwohnerschaft. Denn vom Vorhaben des Mobilfunkbetreibers 02, für ein flächendeckendes UMTS-Netz einen Sendeturm im Bannwald aufzustellen, habe man nichts gewusst. Die Kommunikationsversuche des Telefonunternehmens waren wenig erfolgreich: Die Postwurfsendung mit der Einladung zu einem Info-Abend, auf die sich 02 beruft, ist auf sonderbare Weise in kaum einem Briefkasten gelandet.

An anderer Stelle funktionierte der Dialog besser. Bereits im Juni des Vorjahres stellte O2 einen Bauantrag bei der zuständigen Landkreisbehörde, wenige Wochen später lieferte die Gemeindeverwaltung ihre Stellungnahme ab. Rein baurechtlich ist der Einfluss der Kommune begrenzt: Das Baugrundstück liegt im Außenbereich, der Bau von UMTS-Sendemastanlagen gilt als priviligiertes Vorhaben, bei dem der Bund – nachdem er durch die Versteigerung der Funklizenen Milliarden einstrich – die Kommunen zur erfolgreichen Umsetzung auffordert. Dieser Bitte fühlte sich Kleinmachnows Bürgermeister Wolfgang Blasig durchaus verpflichtet, als er in der gemeindlichen Antwort keine Einsprüche signalisierte.

Die Bürger indes fühlen sich von ihrem obersten Volksvertreter im Stich gelassen. Gut, der Bürgermeister, hat nach Recht und Gesetz gehandelt, heißt es verholen. Dass er aber die Sensibilität der Kleinmachnower gegenüber Unpassendem, Unästhetischem und Ungewissem unterschätzt oder nicht bedacht habe, wird ihm wuchtig vorgeworfen. Eingekesselt von einer demonstrierenden Anwohnerschaft bekam Blasig am Donnerstag eine geballte Ladung zu spüren: Angst vor Elektrosmog, Sorge um die Gesundheit der Kinder, Ärger über ein zerstörtes Ortsbild, Unmut über einsame Entscheidungen. „Sie kannten die Brisanz des Themas, warum haben Sie nicht die Anwohner informiert, als O2 den Bauantrag gestellt hat?“, erregt sich Marion Vogdt, Wortführerin der aufgebrachten Bannwald-Siedler.

Tatsächlich sind der Gemeinde die Abneigung und Vorbehalte gegen Mobilfunkmasten nicht neu: Vor einigen Monaten wollte O2 an anderer Stelle im Bannwald – nahe einer Kita – eine Antenne errichten. Vor allem wegen der nicht auszuschließenden, weil unerforschten Gesundheitsschäden schüttelten die Gemeindeparlamentarier den Kopf. Zudem gaben sie eine Satzung in Auftrag, die verhindert, dass an anderer Stelle im Siedlungsgebiet der Gemeinde ähnliche Versuche unternommen werden. Die Satzung ist nie erschienen. Rechtlich sei dies nicht möglich, so die Verwaltung, wie es sich am jetzigen Fall als richtig bestätigen sollte. Die Sorgen und Ängste der Anwohner indes sind die gleichen wie ein paar hundert Meter zuvor.

WIR-Gemeindevertreter John Banhart fühlt sich vom Bürgermeister „düpiert“. Durch die eilige Zustimmung zum Bauantrag ohne Konsultation der Anwohner und Abgeordneten sei eine Rechtsposition bereits verloren: die der Gemeinde. Die Anwohner aber sind bereit, vor Gericht zu ziehen. „Wir haben die Absicht zu klagen“, sagt Frank Ulrich Vogdt.

Die CDU-Fraktion im Gemeindeparlament verzichtete vorgestern darauf, dem SPD-Bürgermeister eine Missbilligung auszusprechen. Natürlich hätte der die Interessen der Bürger besser vertreten müssen, betont Fraktionschef Ludwig Burkardt. Aber er hoffe auf einen „Lernprozess“ des Bürgermeisters. Schließlich begann dieser die Sitzung der Gemeindevertretung mit der Ankündigung, „sehr schnell für einen Dialog zwischen den Anwohnern und O2 zu sorgen“. Er willigte auch ein, für ein Konzept zu sorgen, mit dem der eventuell noch erforderliche Bedarf weiterer Mobilfunkmasten in Kleinmachnow gesteuert werden kann.

Ein paar Minuten zuvor hatte sich Blasig vor der Protestgemeinde verabschiedet: „Wenn keiner UMTS braucht, wird der Mast abgeschaltet“, so sein wenig beschwichtigender Abgang.

Nach einer Forsa-Umfrage wollen derzeit nur 13 Prozent aller Mobilfunkkunden in den nächsten 24 Monaten ein UMTS-Gerät kaufen. Peter Könnicke