MAZ 07.10.08

 

SCHIFFFAHRT: Tor hielt Druck nicht stand

Polnischer Lastkahn aus Schleuse Kleinmachnow befreit worden

KLEINMACHNOW - Das polnische Lastschiff, das seit Samstagabend in der Kleinmachnower Schleuse festsaß, konnte gestern gegen 15 Uhr seine Fahrt fortsetzen. „Es ist uns gelungen, das beschädigte Schleusentor anzuheben, so dass das Schiff aus der Mittelkammer herauskommen konnte“, sagte der Leiter des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, Michael Scholz, gestern der MAZ. Der Kahn sei dann durch die Nordkammer zurückgeschleust worden und fuhr in Richtung Berlin ab.

Wie berichtet, ist das Untertor der Schleusen-Mittelkammer nicht mehr einsetzbar. Das Metall hat sich aus bisher unbekannter Ursache völlig verbogen. Der Schaden trat auf, als das polnische Schiff gerade geschleust werden sollte. „Wir können aber ausschließen, dass der Frachter gegen das Tor gefahren ist“, so Scholz. Bereits in der Nacht zu Sonntag seien Taucher im Einsatz gewesen, um den Zustand des Tores unter Wasser zu kontrollieren.

Zahlreiche Experten des Wasser- und Schifffahrtsamtes versammelten sich gestern an der Schleuse. „Wir werden nun das Tor ausbauen lassen und gemeinsam mit der Herstellerfirma begutachten“, sagte Scholz. Weil es erst vor wenigen Jahren eingesetzt worden sei, gebe es noch eine „Gewährleistungspflicht“. Wenn sich also herausstellen sollte, dass ein Materialfehler vorliegt, müsste die Firma ein neues Tor liefern. „Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir neu nachdenken.“

Über die Umstände der Havarie wollte Scholz gestern nicht spekulieren. Möglicherweise ist das Schleusentor bei Eintritt des Wassers in die Kammer leicht angehoben worden und hat dann dem enormen Wasserdruck nicht standgehalten. „Die Taucher werden sich jetzt das Obertor anschauen“, so Scholz. Es sei vergleichbar mit dem Untertor, so dass Rückschlüsse gezogen werden könnten.

Die Schifffahrt muss für die kommenden Wochen mit Einschränkungen auf dem Teltowkanal rechnen. „Schleusungen sind jetzt nur noch in der Nordkammer möglich.“ Wenn Schubverbände durch die Schleuse wollen, werde es zu Verzögerungen kommen, weil die „Bugsierer“ nun nicht mehr parallel in der Mittelkammer geschleust werden können, um den Verband auf der anderen Seite wieder aus der Kammer herauszuziehen. „Das wird ein mühseliges Geschäft für die Binnenschiffer, aber wir müssen uns damit erst einmal behelfen“, bedauert Scholz.

Der Vorfall an der Schleuse weckt böse Erinnerungen an einen folgenschweren Unfall im Jahr 1992. Damals hatte ein Schiff den Pfeiler der Schleusenbrücke gerammt. Der Übergang musste später komplett gesperrt werden. Vor zwei Jahren, im Mai 2006, fuhr ein 1000-Tonnen-Frachter gegen das Untertor der Schleusen-Nordkammer. Der Schaden konnte behoben werden. (Von Jürgen Stich)

 

Was 1951 an der Kleinmachnower Schleuse geschah:
Als Gerhard Henning und Werner Ksionsek 1951 mit ihrem alten Motorrad 200 DKW - Typ „ Blutblase" - abends die Wasserbauschule passierten, kamen ihnen zwei Lichter entgegen. Plötzlich waren sie weg. Ein sowjetischer Lastwagen hatte das Geländer eines Behelfsbrückenteiles durchbrochen und stürzte in den Kanal. Die Schleusenbrücke war dort nur drei Meter breit und endete trügerisch im Nichts. Der Beifahrer, ein sowjetischer Offizier war im Führerhaus eingeklemmt und ertrank. Der Fahrer schwamm im Kanal. Die Stahnsdorfer Motorradfahrer eilten zur Schleuse und zogen mit einem Bootshaken den Verunglückten am Gurt seines Wintermantels aus dem Wasser. Lehrlinge des Lehrkombinats an der Schleuse versorgten den Soldaten mit Decken und heißen Getränken. Derweil versuchte man an der Brücke, den Beifahrer zu retten. Ein Kleinmachnower Kohlenhändler sprang ins Wasser, konnte den Eingeklemmten jedoch nicht befreien. Erst ein Taucher zog in tot an Land. Erst am dritten Tag gelang es, mit einer Seilwinde den Lastwagen auf eine Schute zu hieven.

Schleusenfachmann Werner Polzin war einer der Lehrlinge. Zur Eröffnung der Schleusnerbude im Mai dieses Jahres traf der 73-Jährige die Motorradfahrer wieder und rekonstruierte diesen tragischen Unfall. (KW)