Märkische Allgemeine 22.11.07

 

Das Talent trainiert im Keller

Vereine klagen über Mangel an verfügbaren Sportstätten

JÜRGEN STICH, TOBIAS REICHELT

REGION TELTOW Die Platznot der Sportvereine in der Region nimmt dramatische Ausmaße an. Das berichteten Vereinsvorsitzende am Dienstagabend auf der Veranstaltung des SPD-Ortsvereins Kleinmachnow zum Thema Jugend und Sport.

RSV-Eintracht Chef Michael Grunwaldt sagte, sein Klub schiebe seit Jahren über 200 Sportwillige auf der Warteliste vor sich her. Grunwaldt rät allen Eltern, ihre Kinder frühzeitig anzumelden: "Die Wartezeit beträgt mindestens ein Jahr – die Kinder kommen nirgendwo unter, auch nicht in Berlin oder Potsdam", so der Vorsitzende des RSV.

Die gesamte Situation ist angespannt. Anders als in Berlin-fernen Regionen haben die Vereine einen ständigen Zulauf und wissen nicht, wohin mit ihren Mitgliedern. Dabei sei die Region mit neuen Hallen gut ausgestattet, meint Grunwaldt: "Nur die Vereine dürfen nicht rein."

Die Hallen – alle konzipiert für den Schulsport – werden von den Schulen selbst belegt. In der verbleibenden freien Zeit am Abend fühlen sich Anwohner oft von den an- und abfahrenden Autos der Sportler gestört.

Deshalb fordert Grunwaldt, dessen Basketballer in der zweiten Bundesliga spielen, eine große Halle für die Region, die von einer schulischen Nutzung unabhängig ist und anliegende Nachbarn nicht beeinflusst. Die Basketballer hätten solch eine Halle bitter nötig, denn falls sie den Schritt in die erste Liga schaffen, wäre die Hallensituation eine Katastrophe, meint Grunwaldt: "Wir müssten die Startberechtigung wieder abgeben – in der ganzen Region gibt es keine Halle, die den Anforderungen der 1. Liga genügt."

Bis zu 2500 Zuschauer soll solch eine Mega-Halle fassen – zum Vergleich: In die Sporthalle der Anne-Frank-Grundschule in Teltow, die vom RSV für die Heimspiele genutzt wird, passen 500 Zuschauer.

"Die Halle könnte nicht nur für den Sport, sondern auch für Konzerte, Abibälle oder zum Fasching genutzt werden", sagte Grunwaldt. Vorbild sei das Berliner Tempodrom am Anhalter Bahnhof: "Das ist aber noch ein Wunschtraum."

Dass der Platzmangel massiv die Talentförderung behindert, berichtete Klaus Radmacher, Sportwart und 2. Vorsitzender des SV Blau-Weiß Kleinmachnow. "In einen Verein ohne Halle braucht doch niemand mehr eintreten", schimpft Radmacher. Seit 13 Monaten sind die Führenden der Tischtenniskreisliga auf der Suche nach einer neuen Halle. Ihre alte an der Eigenherd-Schule in Kleinmachnow wurde geschlossen und zu einer Kantine umgebaut – der Hallenneubau gegenüber ist für den Vereinssport gesperrt. "Davon wussten wir bei Baubeginn nichts. Nach und nach hat sich herauskristallisiert, dass wir nicht in die neue Halle dürfen", sagt Radmacher: "Unsere Talente schmoren im Keller." Dort mussten sämtliche Platten des Vereins abgestellt werden und dort trainiert Vivien Scholz – Brandenburgmeisterin der Frauen in der Altersklasse der 11- bis 12-Jährigen – mit ihrem Vater. Die noch 10-Jährige spielt über ihrem Niveau – gewann sogar die Erwachsenenmeisterschaften im Kreis.

Eine Besserung der Lage versprach Kleinmachnows Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD). Die Nutzung der Eigenherd-Halle solle den Vereinen im nächsten Jahr ermöglicht werden.

Bis dahin hat sich die Abteilung Tischtennis des SV Blau-Weiß Kleinmachnow vielleicht schon aufgelöst, befürchtet Radmacher: "Vivien sucht schon nach einem Internat, obwohl wir sie gerne hier trainieren würden."

 

Sporthalle für Teltow
Die Stadt Teltow will eine neue Sporthalle bauen. Nach längerem politischen Ringen wurde die Stadtverwaltung Ende Oktober damit beauftragt, sechs mögliche Standorte für die Halle auf ihre Eignung zu prüfen: das Klöstersgelände nördlich der Altstadt, eine Fläche im Techno Terrain, das Grundstück nördlich des Bethesda-Seniorenheims, das Terrain der ehemaligen GPG "Immergrün" sowie Grundstücke in der Ernst-Schneller- und in der Sputendorfer Straße. Das Ergebnis der Prüfung ist bislang noch nicht präsentiert worden.

Unklar ist die Kapazität der Sportstätte, die für Vereine aus der ganzen Region offen stehen soll. Eine Halle mit 2500 Plätzen würde nach Rechnung des Kleinmachnower Bürgermeisters Wolfgang Blasig (SPD) mindestens 15 Millionen Euro kosten. Teltows SPD-Chef Frank Fromm will sie auf 1000 bis 1200 Plätze begrenzen. sti

 

Märkische Allgemeine 22.11.07

Kellerkinder

Kommentar: TOBIAS REICHELT

Es reicht nicht aus, Häuser hinzustellen, um aus einer Siedlung ein Gemeinwesen zu machen. Wer überall neue Baugebiete ausweist, muss auch Freizeitangebote schaffen, statt seine bewegungshungrigen Talente in den Keller zu verbannen. Das Beispiel der zehnjährigen Kreismeisterin und ihres Tischtennisvereins zeigt, wie dringend die Gemeinden der Region Teltow die Schulsporthallen für die Vereine öffnen müssen. Das allein wird aber nicht ausreichen, denn die anwachsenden Schülerzahlen gestalten auch die Organisation des Schulsports zunehmend schwierig. Eine Lösung kann nur in einer neuen Halle liegen. Das ist zwar ein teures Unterfangen, aber wachsende Gemeinden handeln unverantwortlich, wenn sie aus Gründen der Sparsamkeit ihren neuen Einwohnern – zusätzlichen Steuerzahlern ! – eine Infrastruktur von überholtem Maßstab zumuten. Sportmöglichkeiten sind wesentlich für die Lebensqualität verantwortlich. Überdachte sind es noch viel mehr in einem Land, das halbjährig Kälte, Regen und Schnee zu bieten hat. Dieselbe jugendliche Dynamik, wie sie sich im Sport bemerkbar macht, verzeichnet übrigens die Musikszene: Ohne Warteliste geht auch bei der Kreismusikschule nichts mehr.