Märkische Allgemeine Zeitung 06.11.07
ULRICH WANGEMANN
REGION TELTOW Von Verwunderung bis sachlicher Zustimmung reichen die Reaktionen
der Bürgermeister von Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf auf den Rüffel von
Landrat Lothar Koch (SPD). Koch hatte im Gespräch mit der MAZ auf mehr Tempo
und Druck bei der Fusion der drei Gemeinden gedrungen und der politischen
Führung in den Kommunen mangelnden Enthusiasmus vorgeworfen.
"Inhalt und Zeitpunkt der Äußerungen haben mich verblüfft", sagte
Kochs Parteifreund Wolfgang Blasig (SPD), Bürgermeister von Kleinmachnow.
"Zwischen uns Bürgermeistern ist es kein Thema, dass sich der Prozess des
Zusammenwachsens verlangsamen würde. Vielmehr ist er auf einem guten Weg",
sagte Blasig auf Nachfrage. Mit seinen Bürgermeisterkollegen habe er "eine
Methode gefunden, die erfolgreich ist: langsame, merkliche Schritte, keine
Krawallnummer".
Blasig: "Ausgesprochen kontraproduktiv"
Für " unangemessen aus der Sicht eines Außenstehenden" hält Blasig Kochs
skeptische Bemerkungen zu den laufenden Verhandlungen zwischen Kleinmachnow und
Teltow über eine Zusammenlegung der beiden kommunalen Wohnungsgesellschaften.
"Ich sehe den Landrat dort nicht im Geschäft – solche Äußerungen sind
ausgesprochen kontraproduktiv", kritisierte der Kleinmachnower
Bürgermeister. Koch hatte in Bezug auf die Wohnungsgesellschaften gesagt, die
Angelegenheit werde genutzt, um herauszustreichen, wie unvereinbar die
Gemeinden seien. Blasig hingegen hatte in der Vorwoche die Verhandlungen über
die Wohnungsunternehmen als "politisch wünschenswertes Signal"
bezeichnet, das den Weg zu einer verstärkten Zusammenarbeit weise. Blasig will
den Landrat heute Abend um erläuternde Worte bitten.
"Ich fühle mich schon betroffen, zwar nicht persönlich, aber was das Tempo
der Vereinigung betrifft", kommentiert Stahnsdorfs Bürgermeister Gerhard
Enser (CDU) die Schelte des Landrats. "Ich bin mit Herrn Koch einer
Meinung", ergänzte Enser und bezeichnete es als schmerzlich, "dass es
uns bislang nicht gelungen ist, die Gemeinde- und Stadtverordneten so zu
sensibilisieren, dass sie die Tragweite des Nicht-Bewegens anders
einschätzen", so Enser, seit langem Fürsprecher einer Verschmelzung der
drei Kommunen. Er habe Verständnis dafür, dass einige Bürger Ressentiments
hätten vor dem Hintergrund einer gescheiterten Zwangszusammenlegung zu
DDR-Zeiten unter dem Namen "Ernst-Thälmann-Stadt". "Aber wir
müssen jetzt nach vorn schauen", so Enser.
Enser: Großgemeinde rechnet sich
Wichtige Infrastrukturprojekte seien nur umsetzbar, wenn Stahnsdorf und
Kleinmachnow eines Tages zum Mittelzentrum aufgewertet würden – als Teltower
Stadtteile. "Den S-Bahn-Anschluss Stahnsdorfs sehe ich nur unter diesen
Vorzeichen als realistisch an", bemerkte Enser. Welches Hindernis die
derzeitige Situation darstelle, zeige auch die jüngste Entscheidung der
gemeinsamen Landesplanungsbehörde von Berlin und Brandenburg, Stahnsdorf die
Ansiedlung eines großen Einzelhandelsmarkts im Gewerbegebiet zu untersagen (MAZ
berichtete). Begründung: Stahnsdorfs fehlende zentrale Funktion.
Daneben rechnete Enser vor, dass eine Großkommune von mehr als 50 000
Einwohnern deutlich mehr Geld aus dem Landesfinanzausgleich erhalte als die
drei Kommunen für sich. Im Verbund könnten Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf
vier bis fünf Millionen Euro zusätzlich einfahren – das entspräche der Bausumme
für zwei große Kindertagesstätten.
Schmidt: Fusion nur per Volksentscheid
"Eine Fusion ist keine Verwaltungsentscheidung, die man am grünen Tisch
trifft – wir müssen die Bevölkerung mitnehmen", entgegnete Teltows
Stadtoberhaupt Thomas Schmidt (SPD) dem ungehaltenen Landrat. "Die Bürger
müssen sehen, dass die Zusammenarbeit Erfolge bringt", sagte Schmidt. So
arbeiteten die Verwaltungen etwa in der Sportstätten- und
Schulentwicklungsplanung eng zusammen. Eine Fusion könne Schmidts Meinung nach
nur per Volksbegehren entschieden werden.
Als "Beschimpfung der Abgeordneten" bezeichnet Thomas Singer,
Fraktionssprecher der Linkspartei im Kreistag, die Worte Kochs. Eine Großgemeinde
sei nicht notwendig. Koch scheine der Überzeugung zu sein, dass es sich die
Verwaltung in einer Großgemeinde " spart, sich mit widerspenstigen
Abgeordneten zu streiten".
Märkische Allgemeine 06.11.07
Das zentrale Wahlkampfthema des kommenden Jahres steht in der Region Teltow ohne Zweifel fest: Die Fusion von Stahnsdorf und Kleinmachnow mit der Stadt Teltow. Dem Landrat war vergangene Woche mit Sicherheit nicht ohne Bedacht der Kragen geplatzt, als er der politische Führung der drei Kommunen mangelnde Taten und Begeisterung für die Vereinigung unterstellte. Schlagartig ist das Thema wieder auf der Tagesordnung – und der Blick in den Kalender zeigt, warum es auch höchste Zeit ist. Im Mai bereits sind in Stahnsdorf Bürgermeisterwahlen. Amtsinhaber Gerhard Enser (CDU) hat schon angekündigt, dass er das Thema für zentral hält. Im Herbst folgen landesweit die Kommunalwahlen – selbstverständlich wird die Fusionsdebatte in fast alle kommunalpolitischen Streitfelder hineinragen – ob S-Bahn-Ausbau, Gewerbegebiete oder Straßenbau. Gleichzeitig scheidet Landrat Lothar Koch (SPD) aus dem Amt. Sein Nachfolger soll, so kalkuliert wohl der Amtsinhaber, sich frühzeitig deutlich in der Sache positionieren und im Zweifel auch keine parteipolitische Rücksicht auf starke Bürgermeister nehmen. Wie man sich mit denen anlegt, hat Koch demonstriert.